Geschichte und Gesellschaftswissenschaften
Die Hamburger Bildungspläne enthalten Anknüpfungspunkte für Europa-Bildung:
"Aufgabe des Geschichtsunterrichts ist es, alltagsweltliche Sichtweisen und Geschichtsbilder aufzunehmen, zu prüfen, zu erweitern und gegebenenfalls zu korrigieren. Als ein auf die Vergangenheit und ihre Vergegenwärtigung bezogenes Denk- und Arbeitsfach vermittelt das Fach Geschichte Schülern und Schülerinnen Einsicht in die spezifisch geschichtliche Dimension ihrer Existenz, entwickelt ihr historisches Bewusstsein und trägt damit zur reflektierten Selbstverständigung und Identitätsbildung bei. Dies schließt die Teilhabe am kulturellen Gedächtnis Europas ein. Deren normativen Regulativen – darunter den Menschenrechten und den Werten einer demokratischen Grundordnung – verpflichtet, stellt der Geschichtsunterricht für die Schülerinnen und Schüler eine wichtige Orientierungshilfe in unserer pluralistischen Gesellschaft dar ... Zugleich weiten die Schülerinnen und Schüler ihren Blick von der Geschichte des heimatlichen und regionalen Nahraums auf die der Nation, auf die europäische und die außereuropäische bzw. Weltgeschichte. Sie vergleichen Entwicklungen in verschiedenen historischen Räumen, reflektieren ihre Wechselwirkung und denken über einen möglichen Richtungssinn der europäischen Geschichte sowie der Geschichte der Menschheit nach. "
(Bildungsplan Geschichte, Gymnasium 2011; vgl. Bildungsplan Geschichte 12/13)
Europäische Geschichte ist im Fachunterricht eine Gelenkstelle zwischen Nationalgeschichte und Weltgeschichte. Es geht um die Herkunft der europäischen Völker und Staaten und die Ursprünge der ihren Weg bestimmenden politisch-sozialen, weltanschaulichen und religiösen Bewegungen, Machtkämpfe, Ideen und Kulturschöpfungen (KMK 2008). Gibt es eine gemeinsame "Europäische Erinnerung" "Versailles", "68" ...? Geschichtspolitik der EU und die Frage der "europäischen Identität" können im Unterricht reflektiert werden. Eine möglicherweise eurozentristische Perspektive, die von der sog. Globalgeschichte und Postkolonialen Geschichtswissenschaft inzwischen auch dekonstruiert wird. Europa und area studies sind eine Perspektive in einem Curriculum Weltgeschichte.
Lerngelegenheiten und Anknüpfungspunkte vor Ort in Hamburg gibt es überall in der Stadt. Neben den Orten von Handel (Hafen -> Geographie), Verkehr und Kultur sind es die dunklen Seiten der deutschen Geschichte:
- zur Kolonialgeschichte z.B. die Auseinandersetzung um den Tanzania-Park in Jenfeld: http://www.afrika-hamburg.de/tanzaniapark.html
- zum Holocaust, dem Massenmord an den europäischen Juden, das in der ganzen Stadt immer wieder sichtbare Projekt Stolpersteine, das KZ Neuengamme und zahlreiche Gedenk- und Erinnerungsorte.
Abbildung von Stolpersteinen
Die Migrationsgeschichte der Roma und Sinti ist eine besondere Verpflichtung, die die Stadt Hamburg innerhalb der Länderzuständigkeit der KMK eingegangen ist. Materialien der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit geben Anregungen zur Integration des Themas in den Unterricht.
Tafel zum Gedenken an die Verfolgung von Sinti und Roma zur NS-Zeit in Hamburg
Europaweite Initiativen für den Geschichtsunterricht gibt es mehrere. Wir möchten als Anregung verweisen auf EuroClio (M 1), Eustory (M 2) und Eurovisionen (M 3). In der Geschichtdidaktik wird das Konzept der Weltgeschichte – Global History zunehmend auch methodisch ausgearbeitet.
Geschichte als Schulfach wurde im Zuge der Etablierung des Nationalstaates und zu dessen Legitimation ausgebaut. Die Frage nach einer kulturell-historischen Identität, nach einer europäischen Identität wird heute nicht statisch, sondern dynamisch beantwortet: Doing European – lautet die Formel, die Dagmar Richter in einem Grundsatzbeitrag erläutert (M 4) und die von den Historikern Jörn Rüsen (M 5) und Jost Dülffer (M 6) aufgegriffen wird.
Unter den Literaturtipps sind deshalb auch einige klassische und moderne Jugendsachbücher zusammengestellt, die eine europäische Geschichte mit globaler Perspektive erzählen. Meistererzählungen? Schlüsselgeschichten?
Bilingualer Geschichtsunterricht ist mehr als eine „verkappte Englischstunde“. Für den bilingualen Geschichtsunterricht sind inzwischen zwei Schulbuchprojekte durchgeführt worden: das Deutsch-Französische Geschichtsbuch (siehe unter Fach Französisch) und das Europäische Geschichtsbuch (Klett, neue Auflage 2011). Ein Polnisch-Deutsches Projekt ist in Arbeit. Die Projekte sind unterschiedlich bewertet worden. Diskussionsmaterial dazu unter Literatur/Links. Für die Arbeit in den Hamburger Schulen möchten wir nach Prüfung des Europäischen Geschichtsbuchs (Klett) die Arbeit mit der neuesten Auflage empfehlen. Dennoch gilt aus unserer Sicht darüber hinaus: Nicht ein Geschichtsbuch, sondern (mindestens) zwei Darstellungen parallel nebeneinander auf dem Tisch der Schülerinnen und Schüler: ein deutschsprachiges und ein englischsprachiges (französisches, spanisches) Lehrbuch für Geschichte. Und dann mehrperspektivisch vergleichen!