Fallstudie
Fallstudien werden in vielen Bereichen als Methode zur Entscheidungsfindung und -optimierung eingesetzt, z.B. im Management, in der Politikberatung oder der Ausbildung für den Diplomatischen Dienst. Analysiert werden z.B. alternative Investitions- und Standortentscheidungen, Umweltkatastrophen oder internationale Krisenfälle.
Beim Thema Europa bieten Fallstudien die Möglichkeit, an aktuellen Konflikten anzusetzen, die in der Stadt Hamburg diskutiert werden. Schülerinnen und Schüler können so bei ihren Interessen und Wahrnehmungen abgeholt werden. Neben den grundsätzlichen Anforderungen des Schülerinteresses und der Aktualität sollte der Inhalt vor allem auch konflikthaltig sein, gerade weil die Europäische Union in vielen Schulbüchern realitätsfern als harmonisches Bündnis dargestellt wird. Ferner sollte der häufig unterschätzte Einfluss der EU auf den Alltag der Schülerinnen und im Unterricht deutlich werden.
Diese Fälle sind in der vorliegenden Form noch nicht ausgereift und erprobt. Sie warten daher auf eine schulpraktische Optimierung. (-> M 1 und Anhang):
– Fußball und Europa
– Die Fehmarnbeltquerung
– Die EU im Hamburger Alltag
Auch das Handbuch zur Europabildung hält ein Kapitel zu europäischen Fallstudien bereit: http://www.jugendfuereuropa.de/downloads/4-20-1276/hb-innen-081204-web.pdf
Literatur
Links
Unterrichtsmaterial: weitere Fallstudien
Hamburger Abendblatt
www.abendblatt.de
Das Hamburger Abendblatt ist das beste regionale Findbuch. Die Artikel liefern immer wieder Fallstudien, die Auswirkungen europapolitischer Entscheidungen „vor Ort“ veranschaulichen und problematisieren. Ein Themenbeispiel für einen geeigneten Fall-Artikel ist die Glühbirnenverordnung.
Hinrich Kindler/ Tobias Schöffmann:
Sollte der Öffentliche Personennahverkehr eine staatliche oder eine privatwirtschaftliche Aufgabe sein? Eine Unterrichtseinheit zum Binnenmarkt der Europäischen Union.
Hamburg: Universität Hamburg 2004.
Am Beispiel des Themas „Liberalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)“ lassen sich „vor Ort“ zentrale Aspekte des europäischen Binnenmarktes aufzeigen: die Möglichkeiten, die er expandierenden Unternehmen bietet, und die Risiken, die unter dem Stichwort „Sozialdumping“ vor allem Arbeitnehmern drohen. Die UE wurde im Rahmen eines Integrierten Schulpraktikums entwickelt und im Frühjahr 2004 am Gymnasium Ohlstedt in der Klasse 10b (Mentor: Dr. Horst Leps) erprobt.
Projekte und Materialien
M1 Europa in Hamburg
Fußball und Europa
Henri und Marie sind große Fans ihres Hamburger Fußballvereins und lassen sich kein Fußballspiel entgehen. Für diesen Samstag haben sie sogar zwei Karten für das Heimspiel gekauft. Zum frühen Nachmittag haben sich die beiden verabredet, um möglichst gute Plätze in der Fankurve zu bekommen. Sie wollen selbstverständlich keinen Spielzug ihrer Stars verpassen. Treffpunkt ist immer der Aufgang A des Stadions. Warum Aufgang A? Weil ihr Fußballverein natürlich immer
dann gewonnen hat, wenn sie sich dort verabredet hatten. In dem Getümmel erblickt Henri als Erster Marie und geht auf sie zu. Bevor Henri sie begrüßen kann, fällt Marie ihm aufgeregt ins Wort: „Stell dir das mal vor, die Fifa will so eine komische ‚6+5- Regel’ einführen.“ „Was für eine Regel soll eingeführt werden?“, fragt Henri überrascht nach. „Damit soll die Anzahl an ausländischen Spielern auf dem Platz begrenzt werden. In jeder Elf auf dem Platz müssen mindestens 6 für die einheimische Nationalmannschaft spielberechtigt sein. Ich begreife nicht, warum die Nationalität ‘ne Rolle in der Liga spielen soll. Wenn ich Trainer wäre, dann würde die Entscheidung ausschließlich von taktischen Überlegungen und der Fitness eines Spielers abhängen und nicht von seiner Nationalität“, antwortet Marie. Henri erwidert in einem leicht angesäuerten Tonfall: „Wie bitte, sollen dann nur noch ausländische Spieler auf dem Platz stehen? Denk doch auch mal darüber nach, dass deretwegen nicht mehr genügend gute eigene Nachwuchsspieler in die Mannschaften nachrücken könnten. Wenn immer mehr Ausländer in der Bundesliga spielen,
wird es für unsere Nationalelf vielleicht viel schwieriger werden.“ Marie wird nachdenklich und beschwichtigt: „Henri, lass uns jetzt nicht streiten und viel lieber das Spiel genießen.“ Doch auch
nach dem Sieg der Mannschaft – Dank der Verabredung am Aufgang A – wird Marie den Gedanken nicht los, dass letztendlich die besten Spieler in der Mannschaft spielen sollten. Zu Hause setzt sich Marie an den Computer und beginnt, im Internet zu recherchieren. Schnell wird sie von vielen Kommentaren, Analysen und Berichten überflutet. Marie öffnet eine Homepage, auf der ein Bericht der Universität Bielefeld zitiert wird. Darin heißt es, dass zwischen 1995 und 2001
der Ausländeranteil in der ersten Fußball-Bundesliga von 19,1 auf 42,4 Prozent angestiegen ist. Sie klickt auf einen weiteren Link, der vielversprechend erscheint. Ein weiteres Fenster geht auf ihrem Computer auf und eine Kolumne von Beckenbauer, die er regelmäßig für eine überregionale Zeitung verfasst, wird sichtbar. Mit mahnenden Worten führt er Maries Fußballverein als Beispiel für die notwendige Einführung der „6+5-Regel“ an: „Bei vielen Profis herrscht inzwischen
eine Söldner-Mentalität. Klappt‘s beim einen nicht, gehe ich halt zum nächsten. Ich weiß nicht, wie lange sich die Vereine eine solche Einstellung gefallen lassen.“ Und der „Kaiser“ ergänzt: „Zu viele Spieler aus verschiedenen Ländern, die sich kaum richtig verständigen können – das kann für das Auseinanderfallen eines Teams sorgen, wenn kein starker Kern von einheimischen Spielern vorhanden ist. So erleben wir es ja gerade in Hamburg.“ Hm, das hört sich ganz nach
Henris Meinung an. Marie ruft ihn an: „Hallo, Henri, ich habe noch mal über unser Gespräch von vorhin nachgedacht und wollte sagen, dass Beckenbauer …“ Henri unterbricht Marie und entgegnet: „Du, ich habe mich schon längst schlaugemacht. Den Kommentar von Beckenbauer
kenn‘ ich schon. Ist ein alter Hut, denn jetzt hat sich die EU eingeschaltet. Hättest Du das gedacht, dass sich Brüssel mit Fußball beschäftigt? Irgend so ein EU-Kommissar meint dazu …“ Henri bricht das Gespräch ab und Marie hört ein lautes Rascheln im Telefon, als wenn ein großer Stapel Papier aufgeregt hin und her bewegt wird. „Ja, jetzt habe ich es gefunden. EU-Kommissar Vladimir Spidla bezweifelt, dass der Beschluss des Weltverbandes FIFA tatsächlich umgesetzt
wird. Denn für die EU-Kommission ist die „6+5-Regel“ eine Diskriminierung und sie begründet ihre Entscheidung damit: Durch die Regel werde der freie Verkehr von Arbeitskräften torpediert.
Unglaublich, oder?“ Marie notiert zum Abend in ihr Tagebuch: „Erkenntnis des Tages: Bundesligaspiel gewonnen. Streit mit Henri beigelegt. In Sachen ‚6+5-Regel’ hat die Europäische Union
und nicht der Kaiser das letzte Wort.“
Links:
www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,4 ...
www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,3365 ...
www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel ...
Fallstudien Airbus Industrie
Der Fall "Airbus-Industrie": Eine anschauliche Visualisierung bietet das Schaubild mit der europäischen Vernetzung der Airbus-Produktion. Die Fallstudie beschränkt sich auf einen Artikel aus faz-net und einen darauf kritisch reagierenden online-Leserkommentar. Sie ist gedacht als problemorientierter Gesprächsanlass für eine Einzel- oder Doppelstunde. Die "Methode der Verschränkung" (Jacques Delors) kann Pro und Contra diskutiert werden: Standortvorteil oder Achillesferse für Airbus? Vertiefende Recherchen können von hier ihren Ausgang nehmen.
Als Anregungen zu weitere Fallstudien mit Hamburg-Bezug haben wir einige Beispiele zur weiteren Bearbeitung (Optimierung und Erprobung) eingestellt.
Arbeitsauftrag
Als Arbeitsauftrag zu Text und Grafik aus der FAZ (T3) eignet sich ein Leserkommentar:
Diskutieren Sie die folgende Position vor dem Hintergrund der „Methode der Verschränkung“ (Jacques Delors)!
Kommentar von B. Keim:
Europäische Wirklichkeit und Nationalstaatsdenken
„Die USA sind flächenmäßig der EU überlegen und haben dennoch ihre Flugzeugproduktion an wenigen Standorten konzentriert. Wir erlauben uns die Produktion über den ganzen Kontinent zu verstreuen. Wenn die EU wirklich ihr Versprechen als Staatenbund einlösen möchte, dann wäre es an der Zeit einmal darüber nachzudenken, ob es nicht in höchstem Maße sinnvoll ist, die Produktion an wenigen Standorten zu konzentrieren. Die Beschäftigten müssen halt diese Flexibilität aufbringen, so wie bei der Konkurrenz. Wer für Boeing arbeiten will, der kann eben keinen Arbeitsplatz in Montana erwarten, sondern muss sich in den Staat Washington begeben.
Und wer erinnert sich nicht an all den Hickhack, als Airbus sein Werk in Hamburg erweiterte? Gewiss, Arbeitsplätze sollten sein, aber das Werk sollte nicht vergrößert werden. Was soll das? In welcher Wirklichkeit leben wir hier eigentlich? Was spricht dagegen die Produktion zu zentralisieren?“ Quelle: www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/standort-puzzle-die-achillesferse-von-airbus-1410573.html, 1.3.2007
Deutsche Standorte auf dem Prüfstand
Das Standort-Puzzle der Airbus-Fertigung ist ein politisch gewolltes. Für die staatlichen Finanzhilfen haben alle Regierungen von Anfang der Airbus-Gründung an darauf gedrungen, dass Fertigungen in ihren Staaten stattfinden. Noch 2005, als Noël Forgeard, einer der beiden gleichberechtigten Vorstandsvorsitzenden der EADS, den Ton in Toulouse angab, galt die Frage nach der Sinnhaftigkeit der dezentralen Fertigung als eine Majestätsbeleidigung. (...)
Der vollständige Artikel ist verzeichnet unter:
www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/standort-puzzle-die-achillesferse-von-airbus-1410573.html