Lesen in den Naturwissenschaften
Studie von Prof. Dr. Jan Retelsdorf und M. Sc. Nadine Cruz Neri
Der Erwerb naturwissenschaftlicher Kompetenzen ist wichtig, um gesellschaftlich relevante Themen wie beispielsweise die Klimakrise zu verstehen. Dabei ist bekannt, dass der Unterricht in den Fächern der Naturwissenschaften häufig sehr textlastig ist, sodass dem Textverstehen hier eine bedeutsame Rolle zukommt. Schulkinder mit Lesestörung könnten sich aufgrund ihrer Defizite im Lesen mit zusätzlichen Schwierigkeiten im naturwissenschaftlichen Unterricht konfrontiert sehen. So ist es denkbar, dass betroffene Schulkinder ihr naturwissenschaftliches Fachwissen nicht zeigen können, da ihre Schwierigkeiten im Lesen sie darin behindern könnten, die Anforderungen der Testitems allein aufgrund ihrer linguistischen Komplexität zu verstehen. Hinzu kommt erschwerend, dass in den Naturwissenschaften eine besondere Art der Sprache für die Kommunikation charakterisierend ist, die von der Alltagssprache abweicht. Es stellt sich die Frage, ob Schulkinder mit Lesestörung durch eine Reduzierung der linguistischen Komplexität unterstützt werden können.
In diesem Projekt wurde untersucht, ob Schulkinder mit Lesestörung mehr von einer sprachlichen Vereinfachung von Items zur Erhebung naturwissenschaftlicher Kompetenzen profitieren als ihre Peers ohne Lesestörung. Die Stichprobe bestand aus 70 Schulkindern (Alter: M = 12,67; 50% weiblich), von denen 35 von einer Lesestörung betroffen waren. Unter Anwendung eines logistischen Mehrebenenmodells zeigten sich weder ein Haupteffekt der sprachlichen Vereinfachung noch ein Interaktionseffekt auf die naturwissenschaftliche Leistung von Schulkindern. Allerdings schnitten Schulkinder mit Lesestörung signifikant schlechter in den Testitems zur Erhebung naturwissenschaftlicher Kompetenzen als ihre Peers ohne Lesestörung ab.
Publikation
Cruz Neri, N., & Retelsdorf, J. (2022). Do students with specific learning disorders with impairments in reading benefit from linguistic simplification of test items in science? Exceptional Children, 89(1), 23–41. http://doi.org/10.1177/00144029221094049