Hintergrund der Untersuchung
Der Ausgangspunkt des IMPAK Forschungsprojektes ist die Feststellung, dass es trotz der umfangreichen Reformprozesse im Bereich Wohnen noch immer eine heterogene Gruppe von Menschen gibt, die kaum von den Entwicklungen profitiert. Im Projekt fassen wir den Personenkreis, den das betrifft, als Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen.
Bisher fehlt es an wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Lebensbedingungen dieser Menschen. Das Projekt setzt an dieser Forschungslücke an.
Zur Lebenslage der Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen
Bereits seit den 1980er-Jahren durchziehen die Behindertenhilfe – im Bereich des Wohnens und darüber hinaus – Reformprozesse, die sich schlagwortartig als Wandel von der institutionellen zur personalen Perspektive bezeichnen lassen. Durch die
UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), das SGB IX und das Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hat sich die öffentliche Debatte um Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen noch einmal verstärkt. Angestrebt werden eine umfassende Partizipation (im Sinne von Wahl-, Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten) und Inklusion (im Sinne eines gleichberechtigten Zugangs zu Feldern der Lebensführung). Letztendlich geht es darum, Lebenslagen zu verbessern und somit Handlungsspielräume für die Lebensführung zu eröffnen.
Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen profitieren bisher jedoch kaum von den Reformprozessen. Ihre Lebenslage ist nach wie vor von sehr hoher sozialer Abhängigkeit geprägt und von großen Exklusionsrisiken gekennzeichnet. Ihre Handlungsspielräume sind sehr begrenzt, sodass eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Lebensführung erheblich erschwert ist.
Deshalb beschäftigt sich das IMPAK-Projekt mit der Frage, wie Handlungsspielräume auch für diese Menschen erweitert werden können, sodass eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung realisierbar wird.
Zum Personenkreis der Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen
In der Fachdiskussion ist die Bezeichnung des Personenkreises, der im Mittelpunkt des Forschungsprojektes steht, umstritten und die Begrifflichkeiten variieren (schwerste, mehrfache, komplexe Beeinträchtigung oder Behinderung). Dennoch lassen sich hinsichtlich der Beschreibung der Lebenswirklichkeit und der Bedarfslage Gemeinsamkeiten finden.
Die Komplexität der Beeinträchtigungen zeigt sich darin, dass die Bedürfnisverwirklichung, die Entwicklung der Persönlichkeit, der Identität und Selbstbestimmung und damit auch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in besonderem Maß erschwert sind. Diese Erschwerung ergibt sich nicht linear-kausal aus der Person und ihrer Einschränkung, sondern aus einem Wechselspiel zwischen sozialen, strukturellen und individuell-biographischen Bedingungen. Komplex ist zudem die Lebenswirklichkeit der Menschen, nicht die Kombination oder Schwere ihrer Beeinträchtigungen, denn sie ist in hohem Maß geprägt von sozialer Abhängigkeit und Angewiesenheit auf andere Menschen.
Demnach trifft die Bezeichnung auf Menschen mit individuell sehr unterschiedlich zusammenwirkenden Einschränkungen zu. Diese können sich auf die Kommunikation, die Kognition, die körperlich-motorischen und Sinnesfunktionen, das emotionale Erleben und das Verhalten beziehen. Dabei können sich auch einzelne Einschränkungen, z.B. im körperlich-motorischen Bereich, als besonders hohe Erschwerung der Teilhabe auswirken, auch ohne dass sie mit weiteren, z.B. kognitiven Einschränkungen einhergehen. Letztlich geht es weniger um die Einschränkungen selbst, als um ihre Folgen für die Lebensführung.