Typologie
Systematisierung von Angeboten für den Studieneinstieg:
Wie wird gelingendes Studieren in der Studieneingangsphase gefördert?
Der Qualitätspakt Lehre (QPL) soll der Verbesserung von Lehrqualität und Studienbedingungen dienen. Ein Großteil der geförderten Hochschulen widmet sich der Ausgestaltung der Studieneingangsphase, um den vielfältigen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Zielen der Studierenden besser gerecht zu werden. Die ausdifferenzierte Gestaltung der Studieneingangsphase lässt sich kaum noch mit traditionellen Bezeichnungen erfassen, da Brückenkurse, Tutorien oder Orientierungseinheiten für sehr unterschiedliche Konzepte stehen können. Damit stellt sich die Aufgabe einer Systematisierung, die den Neuerungen gerecht wird und hochschulübergreifend Aufschluss gibt, wie gelingendes Studieren in der Studieneingangsphase gefördert wird. Dieser Frage ist das StuFHe-Projekt in der ersten Phase der qualitativen Teilstudie nachgegangen und hat anhand der Analyse von QPL-Projektdarstellungen eine Typologie für Studieneinstiegsangebote entwickelt, die sich anhand von Praxisbeispielen der StuFHe-Partnerhochschulen veranschaulichen lässt.
Analyse von Projektdarstellungen zur Gestaltung der Studieneingangsphase
In der ersten Phase der qualitativen Teilstudie wurde zunächst das Gesamtspektrum der QPL-Maßnahmen analysiert, die sich laut der BMBF-Projektdatenbank den Themenfeldern Studieneingangsphase und Heterogenität / Diversität / Gleichstellung widmen. Für die erste QPL-Förderphase (2011/12-2016) finden sich hier rund 80 Projekte, deren Selbstdarstellungen in der Projektdatenbank und auf den hochschuleigenen Webseiten analysiert wurden. Diese Dokumentenanalyse wurde im zweiten Schritt ergänzt durch acht Experteninterviews mit Projektverantwortlichen an den StuFHe-Partnerhochschulen. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse wurden die Projektdarstellungen vor allem daraufhin untersucht, welche Merkmale die Ausrichtung und Ausgestaltung von Studieneinstiegsangeboten kennzeichnen.
Typologie für Studieneinstiegsangebote
Die Ergebnisse der ersten Phase der qualitativen Teilstudie zeigen, dass sich die untersuchten QPL-Projekte je nach Hochschulprofil durch unterschiedliche strategische Zielsetzungen und Zielgruppen auszeichnen. Die Maßnahmen unterscheiden sich zudem darin, welche Studienanforderungen fokussiert werden, welche hochschuldidaktischen Formate zum Einsatz kommen und welche Organisationsformen Anwendung finden. Aus der Zusammenführung dieser einzelnen Merkmale ergeben sich unterschiedliche Angebotstypen, die bestimmte Kombinationen von Formaten und Formen aufweisen und durch ihren inhaltlichen Fokus jeweils spezifische Funktionen in der Studieneingangsphase übernehmen. Insgesamt konnten neun Angebotstypen ermittelt werden:
Typologie für Studieneinstiegsangebote (Bosse 2016)
Die Typologie bietet einen systematischen Überblick zu der unterschiedlichen Ausrichtung von Studieneinstiegsangeboten auf ein mehr oder weniger breites Spektrum an Studienanforderungen. Hierzu gehören den Projektdarstellungen zufolge vor allem inhaltliche Anforderungen, die sich aus den fachlichen Besonderheiten der Studiengänge ergeben, wie die Erweiterung von Fachkenntnissen. Daneben adressieren viele Angebotstypen auch organisatorische Anforderungen, die auf den hochschulischen Rahmenbedingungen beruhen (z. B. Orientierung im Hochschulbetrieb). Einige Angebotstypen sind auch auf eine Reihe personaler Anforderungen ausgerichtet, die die Lern- und Selbstorganisation betreffen (z. B. Umgang mit Leistungsdruck). Deutlich seltener stehen soziale Anforderungen wie das Kennenlernen von Mitstudierenden im Fokus.
Angebotstypen und Praxisbeispiele
Angebote zur ORIENTIERUNG FÜR DIE STUDIENWAHL zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine fachbezogene Studienorientierung bieten sowie Auskunft zum Studienaufbau und zur Studienorganisation geben. Dadurch fokussieren sie vornehmlich inhaltliche und organisatorische Anforderungen. Ein Beispiel bilden Online-Self-Assessments vor Studienbeginn, die viele Hochschulen im Zuge des QPL eingeführt haben, um Studienwahlentscheidungen zu unterstützen.
Online-Self-Assessment an der Universität Hamburg: JUR§elfAssessment
Für Angebote zur EINFÜHRUNG IN HOCHSCHULE UND STUDIUM ist charakteristisch, dass sie Unterstützung bei der Orientierung im Hochschulbetrieb und dem Kennenlernen von Mitstudierenden bieten, so dass vor allem soziale und organisatorische Anforderungen adressiert werden. Die Orientierungseinheiten zu Studienbeginn stellen hier ein klassisches Beispiel dar, die sich im Rahmen des QPL weiter verbreitet haben.
Orientierungseinheiten an der Universität Hamburg: PIASTA Welcome Week
Angebote zur BEGLEITUNG IM STUDIENEINSTIEGSPROZESS bieten nicht nur Unterstützung bei der Studienorientierung, sondern auch bei einer Vielzahl von lernbezogenen Anforderungen. Zugleich fördern sie das Kennenlernen von Mitstudierenden, geben Einblicke in Studienaufbau und -organisation und tragen zur Orientierung im Hochschulbetrieb bei. Damit zeichnen sie sich durch einen besonders breiten Anforderungsfokus aus. Zu den Praxisbeispielen zählen Erstsemestertutorien, die in Form von regelmäßigen Treffen in Kleingruppen über das gesamte erste Semester angeboten und von fortgeschrittenen Studierenden angeleitet werden.
Erstsemestertutorien an der HAW Hamburg: Team Studieneinstieg (TSE)
Bei Angeboten zur VERMITTLUNG VON FACHWISSEN steht die Unterstützung bei der Bewältigung inhaltlicher Anforderungen im Vordergrund, so dass insbesondere die Erweiterung von Fach- bzw. Vorkenntnissen und/oder die inhaltliche Vor- und Nachbereitung von Vorlesungen unterstützt wird. Zu den Praxisbeispielen gehören sowohl Vor- und Brückenkurse zu Studienbeginn als auch klassische Fachtutorien im Semesterverlauf.
Brückenkurse am UKE der UniversitätHamburg: iMED Crash
Angebote zur VERMITTLUNG WISSENSCHAFTLICHER ARBEITSWEISEN UND ÜBERFACHLICHER KOMPETENZEN können sowohl inhaltliche Anforderungen behandeln, wie wissenschaftliches Schreiben und wissenschaftliche Arbeitstechniken, als auch Unterstützung für den Umgang mit personalen Anforderungen im Bereich von Lernstrategien und Zeitmanagement bieten. Beispiele sind hier punktuelle Workshops und Seminare zu Lern- und Arbeitstechniken, die im Semesterverlauf angeboten werden.
Workshops an der Universität Kassel: Studierkompetenz stärken
Angebote zur BERATUNG FÜR STUDIENRELEVANTE ANLÄSSE können sich auf ein breites Spektrum unterschiedlicher Anforderungen beziehen. Dies umfasst inhaltliche Anforderungen, wie wissenschaftliches Arbeiten, personale Anforderungen, der Umgang mit Leistungsdruck und Prüfungsängsten, aber auch organisatorische Anforderungen, wie Fragen zum Studienaufbau. Diese Angebote können punktuell und anlassbezogen von den Studierenden genutzt werden. Neben der klassischen Studienberatung und Psychologischen Beratung gehören zentrale Anlaufstellen und peer-to-peer Formate dazu, wie z. B. Schreib- und Lernberatung.
Schreibberatung an der Universität Kassel: Lernschreiber
Angebote für die ANLEITUNG ZUM SELBSTSTUDIUM bieten Unterstützung bei der Erweiterung von Fach- bzw. Vorkenntnissen, dienen der Überprüfung des Leistungsstands und ermöglichen eine Individualisierung des Studiums. Somit decken sie ein relativ breites Anforderungsspektrum ab. Zum Einsatz kommen hier vor allem (Selbst-)Testverfahren und Lernmaterialien wie Portfolios oder Online-Lernplattformen.
Lernplattform an der HAW Hamburg: viaMINT
Angebote zur ANWENDUNG VON STUDIENINHALTEN zeichnen sich durch Praxis- bzw. Berufsorientierung oder Forschungsorientierung aus, die häufig mit der Förderung von Schlüsselkompetenzen einhergeht. Zu den Beispielen gehören projektorientierte Lehrkonzepte oder forschendes Lernen, die den Studierenden den Anwendungsbezug ihrer Studienfächer verdeutlichen oder Einblick in die Forschungspraxis geben.
Studieneinführungsprojekte an der Technischen Hochschule Mittelhessen: STEPinM
Angebote zurFLEXIBILISIERUNG VON STUDIENPLÄNEN dienen der Studienorientierung und/oder dem fachüberschreitenden/interdisziplinären Studieren, wobei dies mit einer Individualisierung des Studiums einhergeht. Diese Angebote fokussieren sowohl inhaltliche als auch organisatorische Anforderungen, indem sie mithilfe von curricularen Veränderungen eine zeitlich und inhaltlich flexible Nutzung des Studienangebots ermöglichen. Neben Möglichkeiten für ein Teilzeitstudium oder interdisziplinären Wahlmöglichkeiten gehören zu den Beispielen auch studienvorbereitende Orientierungssemester oder der gestreckte Studieneinstieg, durch den die Studieneingangsphase inhaltlich umgestaltet und zeitlich auf drei bis vier Semester verlängert werden kann.
Gestreckter Studieneinstieg an der Technischen Hochschule Mittelhessen: GettING Started
Empfehlungen für die Praxis
In der Praxis ermöglicht die Typologie, die Angebotslandschaft einzelner Hochschulen systematisch zu erkunden. Sie liefert ein Analyseschema, in das sich die diversen Maßnahmen einordnen lassen, die häufig unter unterschiedlichen Bezeichnungen an zentralen Einrichtungen, in einzelnen Fachbereichen oder Studiengängen angesiedelt sind. Mit der Typologie kann nicht nur das jeweils hochschulspezifische Profil der Studieneingangsphase differenziert bestimmt werden, sondern es lassen sich auch Schwerpunkte und Leerstellen in der Unterstützung für die Bewältigung von Studienanforderungen ausmachen. Damit bietet die Typologie ein Instrument, um sich hochschulweit über die Gestaltung der Studieneingangsphase zu verständigen und ihre Weiterentwicklung gezielt voranzutreiben.
Weiterführende Publikationen
Mergner, J., & Bosse E. (2018): Parallelen und Unterschiede im Umgang mit der politischen Forderung nach Öffnung der Hochschulen am Beispiel des Qualitätspakt Lehre. In I.Buß, M. Erbsland, P. Rahn & P. Pohlenz (Hrsg.), Öffnung von Hochschulen. Impulse zur Weiterentwicklung von Studienangeboten (S.55-83). Wiesbaden: Springer VS.
Bosse, E. (2017): Die (Wieder-)Entdeckung der Studieneingangsphase. In W.-D. Webler & H. Jung-Paarmann (Hrsg.), Zwischen Wissenschaftsforschung, Wissenschaftspropädeutik und Hochschulpolitik. Hochschuldidaktik als lebendige Werkstatt (S. 147-160). Bielefeld: Universitätsverlag Webler.
Bosse, E. (2016): Herausforderungen und Unterstützung für gelingendes Studieren: Studienanforderungen und Angebote für den Studieneinstieg. In I. van den Berk, K. Petersen, K. Schultes, & K. Stolz (Hrsg.), Studierfähigkeit – theoretische Erkenntnisse, empirische Befunde und praktische Perspektiven (Bd. 15, S. 129–169). Hamburg: Universität Hamburg.