Rethinking Talent Development in Biology Education
Rethinking Talent Development in Biology Education – bringing together the Nature of Science and giftedness discourse with conceptions of experts in Biosciences
Laufzeit: ab April 2025
Personen: Sarah Stahlberg (Doktorandin), Prof. Dr. Julia Schwanewedel (Betreuerin)
Kontakt: Sarah Stahlberg – sarah.stahlberg@uni-hamburg.de
Trotz zahlreicher Modelle zur Talententwicklung existiert bislang keine kohärente Konzeptualisierung biologisch-naturwissenschaftlicher Begabungen. Die bestehenden allgemeinpädagogischen Begabungsmodelle (vgl. Heller, 1994; Renzulli, 1978) wurden bisher lediglich adaptiert und um naturwissenschaftsbezogene Aspekte erweitert (vgl. Wegner et al., 2024, S. 19 & Müller-Oppliger zitiert nach Einschätzungsbogen BBF Stadt Zürich, 2023, S. 7), ohne eine präzise domänenspezifische Differenzierung in Bezug auf biologiebezogene Begabungen vorzunehmen. Wesentliche Fragestellungen bleiben unbeantwortet: Wodurch sind biologiebezogene Begabungsmerkmale gekennzeichnet? Wie können biologiebezogene Begabungsfaktoren im Unterricht sichtbar gemacht, erkannt und noch gezielter gefördert werden? Um diese Fragen zu beantworten, verknüpft das Promotionsvorhaben den Diskurs zur Nature of Science mit der Begabungsidentifikation im Biologieunterricht und untersucht, welche biologiebezogenen Begabungsmerkmale sich daraus synthetisieren und modellieren lassen. Darauf aufbauend werden fachbezogene Begabungsaspekte durch Interviews mit People in Science rekonstruiert und rekonzipiert.
Im Folgenden werden die drei zentrale Analyseebenen Knowledge of Science, Culture of Science und People in Science nach Klenk (2019, S. 216ff.) näher beleuchtet.
Die Aspekte der Knowledge of Science und die pädagogisch-psychologisch etablierten Begabungsmerkmale werden bislang weitgehend isoliert betrachtet, was Lehrpersonen vor Herausforderungen stellen kann, da sie sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Definitionsansätze wiederfinden. Darüber hinaus ist die Auswahl biologischer Lerninhalte eng mit curricularem Denken verbunden, das „eine didaktisch-erkenntnistheoretische Analyse der Struktur und der Schichtung“ (Klafki, 1972, S. 125) dieser erfordert. Fachgegenstände, Curricula und die in einer Fachkultur bevorzugten Lernzugänge können Differenzkategorien hervorbringen, die potenzielle Lern- und Partizipationsbarrieren in der Begabungsentwicklung erzeugen (vgl. ebd., S. 241).
Ein vertieftes Verständnis der Culture of Science, insbesondere der Fachkultur Biologie und ihrer Weltzugänge (vgl. Kreyer & Laging, 2020, S. 21f.), stellt eine der zentralen Grundlagen dar, um biologiebezogene Begabungen im Unterricht gezielt zu erwarten, zu erkennen und zu fördern. Dies erfordert ein tiefgehendes Verständnis der Facetten von Begabungen im Bereich der Biosciences, wenngleich innerhalb der Scientific Community noch Uneinigkeit über die genaue Definition der Nature of Science besteht (vgl. Dagher & Erduran, 2016, S. 150). Eine differenzierte Modellierung biologiebezogener Begabungsaspekte der Nature of Biosciences soll in einem Synthesemodell münden. In diesem Kontext stellen sich folgende Fragen: Was konstituiert aus heutiger Sicht das Wesen und die Kultur der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie? Und welche dieser Aspekte sind für die unterrichtliche Potenzial- und Begabungsförderung relevant? (vgl. Dittmer & Zabel, 2019, S. 99).
Um begabungsspezifische Faktoren für die Potenzialentwicklung in den Biosciences zu rekonstruieren und auszudifferenzieren, werden People in Biosciences aus unterschiedlichen fachlichen und kulturellen Hintergründen interviewt, die in ihrem Fachgebiet reüssiert haben. Diese verfügen über ein tiefgehendes Fachverständnis, das es ihnen ermöglicht, bedeutende Probleme zu lösen (Subotnik et al., 2019 zitiert nach Preckel et al., 2020, S. 698). Nach dem Talent-Development-in-Achievement-Domains (TAD) Framework (ebd., S. 697) gewinnen domänenspezifische Begabungsfaktoren mit fortschreitender Entwicklung an Bedeutung und führen letztlich zu Expertise sowie herausragenden Leistungen in einem Spezialgebiet. Die Befragung dieser Expert:innen soll zu einem differenzierten und repräsentativen Begabungsdiskurs in den Biosciences beitragen, indem Tiefenstrukturen der biologiebezogenen Begabungsentwicklung in die Modellierung einbezogen werden. Das TAD-Modell dient hierbei als konzeptionelle Grundlage für die Rekonstruktion eines domänenspezifischen Talententwicklungsmodells im Biologieunterricht.
Literatur
Dagher, Z. R., & Erduran, S. (2016). Reconceptualizing the Nature of Science for Science Education: Why Does it Matter? Science & Education, 25(1–2), 147–164. https://doi.org/10.1007/s11191-015-9800-8
Klafki, W. (1972). Das Problem der Didaktik. In Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim: Beltz, S. 72–125.
Klenk, F. C. (2019). Auf den Spuren einer gender- und differenzreflexiven Didaktik – nicht nur in der Informatik. In D. Kergel & B. Heidkamp (Hrsg.), Praxishandbuch Habitussensibilität und Diversität in der Hochschullehre. Prekarisierung und soziale Entkopplung – transdisziplinäre Studien. Wiesbaden: Springer VS, S. 193–235.
Kreyer, R., Laging, R., Hericks, U., & Meister, N. (2020). Einführung: Welchen Beitrag leisten die Fächer zum Verstehen der Welt? In Zur Sache. Die Rolle des Faches in der Universitären Lehrerbildung. Springer Vieweg in Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 21–29. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29194-5_2
Preckel, F., Golle, J., Grabner, R., Jarvin, L., Kozbelt, A., Müllensiefen, D., Olszewski-Kubilius, P., Schneider, W., Subotnik, R., Vock, M., & Worrell, F. C. (2020). Talent Development in Achievement Domains: A Psychological Framework for Within- and Cross-Domain Research. Perspectives on Psychological Science, 15(3), S. 691–722. https://doi.org/10.1177/1745691619895030
Wegner, C., Schäfers, M.S., Peperkorn, C., Schulte, A., & Rath, F. (2024). Naturwissenschaftliche Begabung: Diagnostik und Förderung: Ein Praxisleitfaden für Lehramtsstudierende und Lehrkräfte. Opladen & Toronto: utb GmbH.
Zur Person
Sarah Stahlberg absolvierte ein Lehramtsstudium (B.Ed./M.Ed.) für die Sekundarstufen I und II in Biologie und Spanisch an der Universität Potsdam. Ihre Unterrichtserfahrung erstreckt sich auf Deutschland, die Schweiz, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie auf die Lehre an der Monash University in Melbourne. Studienaufenthalte an der Universidad Autónoma de Madrid, der Universidade de Vigo und der Universität Zürich ermöglichten ihr eine Vertiefung in interkultureller und international vergleichender Bildungswissenschaft. Ihr Studienreferendariat absolvierte sie an einem Brandenburger Gymnasium und die didaktisch-methodische Ausbildung am Studienseminar Potsdam.
Derzeit ist Sarah Stahlberg als Fachperson für Begabungs- und Begabtenförderung und als Lehrerin für Biologie und Spanisch an einer Zürcher Oberstufenschule tätig. Sie entwickelt schulinterne Förderangebote, diagnostiziert und fördert (hoch)begabte Schüler:innen und führt Fortbildungen zur Potenzialorientierung durch. Auf der LemaS-Jahrestagung an der Humboldt Universität zu Berlin berichtete sie unter der Leitfrage „Wie in der Mittelstufe Talente fördern?“ über ihre Erfahrungen mit dem Schoolwide Enrichment Model und leitete einen Workshop zum Thema „(Hoch-)begabte Jugendliche mit Underachievement in der Sekundarstufe I erkennen und Entwicklungsangebote schaffen“.
Im Rahmen ihres Master of Advanced Studies in Gifted Education and Talent Development vertiefte Sarah Stahlberg ihre Expertise im Bereich der Begabungs- und Begabtenförderung und qualifizierte sich in der Begabungsdiagnostik, einschließlich der Anwendung testbasierter Verfahren.
Als Wissenschaftlerin, Lehrerin und Fachexpertin verbindet sie die Forschung mit der schulischen Praxis im Bereich der Talententwicklung. Ihr Forschungsinteresse gilt der Nature of Science sowie der Identifikation und Förderung biologiebezogener Begabungen.