Professionalisierungsprozesse von Englischlehrerinnen und –lehrern in Bezug auf die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler
Dissertationsprojekt Anja Wilken (laufend)
In Deutschland ist Mehrsprachigkeit, z.B. aufgrund von Zuwanderung und besonders in Großstädten, ein weder neues noch seltenes Phänomen: In einer Hamburger Studie von 2003 gaben 35% der insgesamt 46.190 befragten Kindern und Jugendlichen zwischen 4 und 13 Jahren an, zu Hause „mindestens eine weitere Sprache außer oder statt Deutsch zu sprechen“ (Fürstenau et al. 2003: 47). Besonders in Städten besteht zudem mit ca. 100 verschiedenen Sprachen eine große Vielfalt (Gogolin et al. 2003: 39). Diese Ergebnisse legen nahe, dass der Umgang mit Mehrsprachigkeit zum Berufsalltag von Lehrerinnen und Lehrern gehört. Dennoch ist bislang nicht ausreichend erforscht, ob und inwiefern sich der Umgang mit Mehrsprachigkeit auf die Unterrichtspraxis und den Professionalisierungsprozess der Lehrerinnen und Lehrer auswirkt. Professionalisierung wird hier nach dem berufsbiografischen Ansatz als allmählicher Kompetenzaufbau über die gesamte Berufslaufbahn (Terhart 2010: 93), und nach dem strukturtheoretischen Ansatz als kompetenter Umgang mit zu bewältigenden Unsicherheiten, Spannungen, Antinomien und Undeterminiertheit (Terhart 2011: 206) verstanden. Viele Studien belegen, dass Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen begünstigt (vgl. Fürstenau et al. 2003: 161; Gogolin 2010: 537 ff.), und dass sich eine „zeitlich hinreichende und systematische didaktische Einbeziehung der Herkunftssprache – als Gegenstand wie als Medium des Unterrichts –“ (Dirim et al. 2001, zit. in: ebd.; vgl. auch Gogolin 2010: 542) positiv auf den Schulerfolg auswirkt. Daraus und auch aus anderen Studien zum Thema Mehrsprachigkeit können Implikationen für den Unterricht abgeleitet werden (vgl. z.B. Méron-Minuth 2015: 236). Außerdem entstehen teils widersprüchliche Anforderungen, z.B. der Umgang mit Differenz und Ungleichheit bei gleichzeitiger Förderung der Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler (Trautmann & Wischer 2011: 93). Fremdsprachenlehrende stehen hierbei vor zusätzlichen Herausforderungen, da die Bildungspläne eine Förderung von interkulturellen und kommunikativen Kompetenzen sowie Mediation im Sprachunterricht vorsehen. Da Englisch außerdem eine besondere Rolle als lingua franca bzw. Brückensprache innehat (vgl. Allgäuer-Hackl 2012: 286), fokussiert das Projekt Englischlehrerinnen und -lehrer. Die Untersuchung erfolgt mittels eines explorativen Ansatzes. Ziel ist die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen bzw. Entwicklungen in der Berufsbiografie. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf Erfahrungen gelegt werden, die im Verlauf der Berufsbiografie für den Umgang mit sprachlicher Heterogenität prägend waren bzw. relevant sind. Die leitende Fragestellung ist dabei: Ob und inwiefern Wechselwirkungen zwischen der jeweiligen Konstruktion von sprachlicher Heterogenität und den Professionalisierungsprozessen von Englischlehrerinnen und Englischlehrern bestehen. Dazu werden episodische Einzelinterviews mit narrativem Schwerpunkt (vgl. Flick 2007) geführt. Die Interviews beinhalten einen narrativen Teil zur Berufsbiografie und eine zweiten leitfadengestützten Teil mit Erzählaufforderungen zu Sprachlicher Heterogenität und Professionalisierung. Die Interviews werden mit der Dokumentarischen Methode ausgewertet.
- Dauer: aktuell
- Projektleitung: Dr. Anja Wilken