Zur Geschichte der Religionspädagogik in Hamburg
Spätestens seit Anfang der 1970er Jahre bezieht sich die Hamburger Religionspädagogik auf einen Religionsunterricht (RU), der „im Erfahrungs- und Verstehenshorizont der Schüler:innen die Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Wahrheit, nach Gerechtigkeit, nach Werten und nach Normen für verantwortliches Handeln aufnimmt (..) und zur Auseinandersetzung mit den verschiedenen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen führt, die unser heutiges Leben beeinflussen.
In der Auseinandersetzung geht der RU von der Voraussetzung aus, dass in religiösen Traditionen und lebendigen Glaubensüberzeugungen Möglichkeiten der Selbst- und Weltdeutung sowie Aufforderungen zu verantwortlichem Handeln angelegt sind, die die Selbstfindung und die Handlungsfähigkeit des Menschen zu fördern vermögen.“ (Aus dem Lehrplan von 1973)
Diese religionspädagogische Orientierung an einem ökumenisch offenen, schüler:innen- und problemorientierten Ansatz wurde im Kontext von religiösen und kulturellen Pluralisierungsprozessen in den 1990er Jahren in Richtung auf einen dialogischen und interreligiösen Ansatz weiterentwickelt. Dank der Unterstützung von im Gesprächskreis interreligiöser Religionsunterricht (GIR) organisierten Vertreter:innen wichtiger Hamburger Religionsgemeinschaften konnte der Religionsunterricht für alle – wie er seit den 1990er Jahren auch offiziell genannt wurde – zu einem interreligiösen und dialogischen Lernort entwickelt werden.
In der universitären Hamburger Religionspädagogik wurden durch empirische und konzeptionelle Forschung in internationaler Perspektive die Grundlagen einer Dialogischen Religionspädagogik entwickelt. Zum konzeptionellen und didaktischen Rahmen der Hamburger Religionslehrer:innenbildung gehörte ebenfalls die Auseinandersetzung mit den theologischen und religionspädagogischen Themen und Ansätzen von Befreiungstheologie, Befreiungspädagogik, Ökumenischem Lernen, Dialogansätzen in Theologie und Pädagogik, Ästhetischer Bildung und Friedensbildung. Seit Beginn der 2000er Jahre gewannen Bemühungen um eine Pluralisierung der Religionslehrer:innenbildung eine starke Bedeutung. Sie gipfelten im Jahr 2010 in der Gründung der Akademie der Weltreligionen an der Fakultät für Erziehungswissenschaft.
Ein wichtiges Element Hamburger Religionspädagogik ist ebenfalls die Verbindung von empirischer Forschung mit konzeptionellen Überlegungen, die in verschiedenen international angelegten Projekten hergestellt wurde. Diese Verbindung von empirischer, hermeneutischer und gesellschaftskritischer Forschung, die für die Hamburger Religionspädagogik prägend geworden ist, findet ihre Fortsetzung auch in gegenwärtigen Ansätzen zu einer empirisch fundierten, dialogisch-interreligiösen Religionspädagogik der Vielfalt. Eine besondere Aufmerksamkeit in Forschung und Lehre gilt dem seit 2019 in Hamburg etablierten und von mehreren Religionsgemeinschaften verantworteten Modell von RUfa 2.0.
Die damaligen Professuren für Religionspädagogik an der Universität Hamburg hielten inne: Fulbert Steffensky (1975 – 1998), Wolfram Weiße (1992 –2005), Gordon Mitchell (2000–2019).
Derzeit ist Prof. Dr. Thorsten Knauth Inhaber und leitender Professor der Religionspädagogik.