TIMSS 2019 veröffentlicht ErgebnisseMathematisch-naturwissenschaftliche Bildung im Vergleich
8. Dezember 2020, von Bente Gießelmann
Foto: waxmann Verlag, Bildmontage: UHH
Die internationale TIMS-Studie (Trends in International Mathematics and Science Study) erhebt die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschülerinnen und Grundschülern. Nun wurden die aktuellen Ergebnisse der Studie vorgestellt, deren wissenschaftliche Leitung seit 2017 bei Prof. Dr. Knut Schwippert von der Universität Hamburg liegt.
Die TIMS-Studie erhebt im internationalen Vergleich die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschülerinnen und Grundschülern der vierten Klasse. Die Studie wird alle vier Jahre durchgeführt und dokumentiert damit seit 1995 die langfristigen Entwicklungen in den teilnehmenden Bildungssystemen. Deutschland beteiligt sich seit 2007 mit den Grundschulen an der TIMSS-Vergleichsuntersuchung, die von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) verantwortet wird. In der Erhebung sind die Kinder, die Klassen, in denen sie unterrichtet werden, und die Schule, in die sie gehen, so ausgewählt worden, dass sie ein repräsentatives Bild für Deutschland vermitteln. „TIMSS ist in diesem Sinne eine Bestandsaufnahme eines Bereiches des deutschen Bildungssystems“, so Prof. Dr. Knut Schwippert.
Die Ergebnisse des Erhebungs-Zyklus von 2019 liegen nun vor. Sie zeigen, dass die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschülerinnen und Grundschülern im Vergleich zu den Erhebungen von 2007, 2011 und 2015 im Wesentlichen stabil, also gleichbleibend sind. Seit der letzten Erhebung hat sich die Schülerschaft in Deutschland verändert, sodass die Forschenden beispielsweise auch die Migrationserfahrungen der Familie sowie die Sprachen, die zu Hause gesprochen werden, mit einbezogen haben. Klar wird dadurch, dass die Kompetenzen nicht von einem einzelnen Faktor wie Migrationserfahrung oder Geschlecht abhängen, sondern nur im Zusammenhang mit weiteren Rahmenbedingungen gesehen werden können. Dabei steht das Zusammenspiel von sozialer Benachteiligung, Unterstützung der Eltern und gezielter schulischer Förderung im Fokus.
Neben der Erfassung der Kompetenzstände gibt der Studienbericht Einblick in Fragen zum Unterricht, zu Nachhilfe sowie zu den Übergängen am Ende der Grundschulzeit und zu Geschlechterunterschieden. Die Forschenden gehen auch auf die Bedeutung von Unterschieden zwischen Kindern aus verschiedenen sozialen Lagen und aus Familien mit unterschiedlichen Migrationserfahrungen ein.
Auch im internationalen Vergleich sind die Ergebnisse beständig: Die Leistungen liegen in Mathematik und in den Naturwissenschaften im gesamten internationalen Vergleich im Mittelfeld.
Auf Basis der Ergebnisse empfehlen die Forschenden mehrere Maßnahmen: Leistungsschwache, aber auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler müssten gezielt gefördert werden. Chancengerechtigkeit müsse hergestellt werden – unabhängig von bestimmten Merkmalen wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Migrationsstatus. Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht in der Grundschule müsse Kinder stärker kognitiv aktivieren. Und schließlich sei die Ausweitung und Verbesserung von Aus- und Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte wichtig, insbesondere im Bereich des adaptiven Unterrichts und digitaler Medien.
TIMSS nimmt Bildungssystem in den Blick
TIMSS liefert Informationen über die Qualität der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung in nationalen Bildungssystemen, aber auch über Bildungssysteme im internationalen Vergleich. Über die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in Mathematik und den Naturwissenschaften hinaus werden Hintergrundinformationen ermittelt, zum Beispiel zum persönlichen Lernumfeld, zu den Lehrkräften und zum Unterricht oder zu den organisatorischen Rahmenbedingungen der Schulen.
Damit kann TIMSS Aussagen nicht nur über die einzelnen Leistungen treffen, sondern auch zu verschiedenen Perspektiven im Zusammenhang mit dem Lernen der Kinder. Ob die gesetzten Bildungsziele erreicht wurden, lässt sich nur im Vergleich beurteilen. „Hierfür ermöglicht TIMSS durch den multiperspektivischen Zugang Informationen, die in der Form keine andere Studie bietet“, so Prof. Dr. Knut Schwippert. „Der internationale Vergleich ermöglicht uns, mit dem ‚Blick über den Bildungs-Tellerrand‘ zu beurteilen, wo das deutsche Bildungssystem steht. Und durch die regelmäßige Wiederholung der Erhebung ist TIMSS ein Gradmesser für Veränderungen im und durch das Bildungssystem.“
Die Studie wurde zunächst von der TU Dortmund geleitet, bevor sie ab 2017 von der Universität Hamburg weitergeführt wurde. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg.: „Ich freue mich darüber, dass Herr Kollege Schwippert sich ein weiteres Mal der komplexen Aufgabe angenommen hat, die TIMSS-Studie zum internationalen Leistungsvergleich von 58 Staaten federführend mitzubetreuen. Wie wichtig dieses für das deutsche Bildungssystem und die nachwachsenden Generationen ist, zeigt sich an den teilweise beunruhigenden neuen Ergebnissen für die Fächer Mathematik und den naturwissenschaftlichen Teil des Sachunterrichts. Die Politik ist gut beraten, wenn sie diese Ergebnisse zur Kenntnis nimmt und daraus Konsequenzen zieht. Das Engagement von Knut Schwippert und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein erneutes gutes Beispiel für die Relevanz, welche wissenschaftliche Ergebnisse für unser aller Alltag und unsere Lebensverhältnisse haben.“
An TIMSS 2019 nahmen 58 Staaten mit mehr als 300.000 Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsstufe teil. Darunter sind 24 EU-Mitgliedsstaaten. 29 Staaten gehören der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) an. Weltweit haben auch rund 250.000 Erziehungsberechtigte, 20.000 Lehrkräfte sowie 10.000 Schulleitungen an TIMSS 2019 teilgenommen. In Deutschland waren rund 4.900 Viertklässlerinnen und Viertklässler, ebenso wie 3.250 Erziehungsberechtigte, fast 400 Lehrkräfte sowie 229 Schulleitungen beteiligt.
Als Reaktion auf sich wandelnde Lehr- und Lerngelegenheiten hat sich die IEA für den Zyklus 2019 erstmals dazu entschieden, TIMSS mit Hilfe digitaler Medien durchzuführen. Im Rahmen von eTIMSS wurde dazu im Vorfeld erhoben, wie sich die Ergebnisse von analoger und digitaler Testung vergleichen lassen und damit auch die Trenduntersuchung weitergeführt werden kann.
Der am 8. Dezember 2020 veröffentlichte nationale Berichtsband umfasst sowohl internationale Vergleiche als auch Analysen der Veränderungen im Trend sowie für das deutsche Bildungssystem. Er bietet ein vielseitiges Repertoire an Informationen zu verschiedenen Themen und richtet sich an Personen, die sich für den Stand und die Entwicklung des Lehrens und Lernens in der Grundschule interessieren.
Den vollständigen Bericht können Sie hier lesen.
Die Pressemappe zur Veröffentlichung finden Sie hier.
TIMSS 2019: Beteiligte und Förderung
Die wissenschaftliche Gesamtleitung und die Koordinierung des nationalen TIMSS 2019 Konsortiums liegt bei Prof. Dr. Knut Schwippert (Universität Hamburg). Das Konsortium besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Dortmund sowie des IPN (Universität Kiel). An der Vorbereitung und Durchführung von TIMSS 2019 sind als Verbundpartner Prof. Dr. Olaf Köller (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik – IPN Kiel), Prof. Dr. Mirjam Steffensky (seit 2020 Universität Hamburg, davor IPN Kiel), Prof. Dr. Nele McElvany und Prof. Dr. Christoph Selter (Technische Universität Dortmund) beteiligt. Darüber hinaus wirken in dem Konsortium mit: Prof. Dr. Frank Goldhammer (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt), Prof. Dr. Aiso Heinze (IPN Kiel), Dr. Ulf Kröhne (DIPF Frankfurt), Prof. Dr. Tobias C. Stubbe (Georg-August-Universität Göttingen) und Prof. Dr. Heike Wendt (Karl-Franzens-Universität Graz). An der Berichtslegung haben mitgearbeitet: Dr. Daniel Kasper, Christin Beese, Dr. Armin Jentsch sowie Donieta Jusufi und Luise Scholz.
Die Beteiligung Deutschlands an der internationalen TIMSS Untersuchung wurde durch die finanzielle Förderung vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) sowie von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschlands (KMK) ermöglicht. Auch die in Deutschland an der Durchführung der TIMSS Untersuchung beteiligten Universitäten übernahmen Anteile der Finanzierung der Untersuchung.