Januar: Kinder mit Lernschwierigkeiten besser unterstützenWie multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Schule umgesetzt wird
27. Januar 2021, von Bente Gießelmann
Foto: privat
Im Pilotprojekt „LeTS-GO!“ (Integrative Lerntherapie in der Schule – Gemeinsam vor Ort!) soll herausgefunden werden, wie Lerntherapie in Schulen verankert werden kann, und wie dabei eine multiprofessionelle Kooperation zwischen den Lehrkräften und Lerntherapeutinnen bzw. -therapeuten entsteht.
Alle Zeichnungen: UHH/Wohlfahrt
Lerntherapie ist bisher ein außerschulisches Angebot für Kinder, denen das Lernen in den Bereichen Lesen, Schreiben und/oder Rechnen aus unterschiedlichen Gründen besonders schwerfällt. Die Möglichkeiten im Unterricht führen für diese Kinder nicht immer dazu, dass sie spürbare Fortschritte machen. Im Einzel- oder Kleingruppensetting diagnostizieren und fördern ausgebildeten Lerntherapeut*innen diese Kinder bisher fast ausschließlich in lerntherapeutischen Praxen.
Aus organisatorischen oder finanziellen Gründen ist dieses außerschulische Angebot für einen Teil der Kinder nicht nutzbar. Manche Kinder erhalten keine Lerntherapie, andere werden erst spät gefördert, nachdem sie „bereits in den Brunnen gefallen sind“. Auch gelingt die Verzahnung lerntherapeutischer Arbeit und Erfolge mit dem schulischen Lernen nicht immer. Was die Kinder morgens in der Schule lernen und was sie nachmittags in der Lerntherapie üben, kann bisher schwer aufeinander abgestimmt werden.
In den letzten Jahren ist erstens zu beobachten, dass Lerntherapeut*innen und Schulen die Kooperation suchen. Diese Zusammenarbeit gestaltet sich aber sehr unterschiedlich, so dass Erfahrungen kaum verglichen bzw. wissenschaftlich ausgewertet werden können. Zweitens ist die Lerntherapie selbst eine junge Disziplin und viele Fragen der Gestaltung und Umsetzung sind noch zu beforschen.
Zum Beispiel geht es um Fragen danach, wie Lern- und Förderprozesse in der Schule und der Lerntherapie aufeinander abgestimmt werden können, damit die unterstützten Kinder auch wirklich davon profitieren. Oder es geht um die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten aussehen muss, also die multiprofessionelle Kooperation zwischen Schulen, Lehrkräften, Lerntherapeut*innen und weiteren Beteiligten.
Im „LeTS-GO!“ -Projekt (Integrative Lerntherapie in der Schule – Gemeinsam vor Ort!) geht es um genau diese Fragen. Die Forscherinnen haben zunächst mittels einer Umfrage unter Schulleitungen, Lehrkräften und Lerntherapeut*innen erhoben, wie sie die gegenwärtige Umsetzung lerntherapeutischer Angebote beurteilen.
Eine Lehrkraft sagte dazu beispielsweise: „Lerntherapeutinnen werden dringend in der Schule gebraucht - es darf nicht so getrennt vom Unterricht sein - gerade der Austausch hilft den Kindern mehr.“
Eine andere Lehrkraft aus einer beteiligten Schule äußerte: „…weil ich es nicht konstruktiv finde, wenn in der Lerntherapie etwas bearbeitet wird und wir im Unterricht was ganz anderes machen. Es wäre besser, wenn wir so miteinander vernetzt arbeiten, sodass wir die Kinder optimal unterstützen können.“
Aufbauend auf dieser Umfrage gestalten die Wissenschaftlerinnen für den Zeitraum von drei Schuljahren (2019-2022) mit fünf Schulen und fünf Therapeut*innen Lerntherapie an Schulen. Dabei beobachten die Forschenden nicht nur, wie die Kooperation funktioniert, sondern sie geben Impulse, erarbeiten gemeinsam mit den Schulen und Therapeut*innen mögliche Gelingensbedingungen und begleiten die Entwicklung. Wissenschaftlich entworfene Konzepte werden dabei nicht „einfach nur“ umgesetzt, sondern vielmehr hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Sinnhaftigkeit ausprobiert und mit den Praxispartner*innen diskutiert und abgestimmt.
Im Pilotprojekt soll herausgefunden werden, wie genau Lerntherapie in der Schule verankert werden kann, damit sie präventiv oder als schnelle, niederschwellige Hilfe wirkt. Die Kooperation, so zeigen erste Projekterfahrungen, braucht ausreichende Zeitfenster und reicht dabei von „Tür-und-Angel“-Gesprächen oder Mailaustausch bis hin zu Unterrichtshospitationen oder regelmäßigen, systematischen Austauschtreffen.
Die Entwicklung von Kooperationsformen zwischen den Professionen soll den kollegialen Austausch fördern, Synergieeffekte schaffen, die Beteiligten entlasten und durch einen Blick in die jeweilig anderen Arbeitsfelder zu einer Quelle individueller Weiterbildung werden.
Durch die Erforschung dieser Fragen hoffen die Wissenschaftler*innen, eine Implementation von Lerntherapie in der Schule wesentlich unterstützen zu können. Die Kooperation steht mit all ihren Facetten im Mittelpunkt. Zudem liegt der Fokus auch auf dem Erreichen bildungsbenachteiligter Kinder – einschließlich der Kinder, bei denen sich ein Risiko für die Entwicklung von Lernproblemen andeutet. Schlussendlich sollen diese Kinder von einer besseren Verzahnung von pädagogischen Expertisen profitieren. Die Pilotstudie „LetS-GO!“ soll helfen, Erkenntnisse und Hinweise zu gewinnen, die anschließend auch in Praxis und Forschung weiterverfolgt werden können.
Alle Zeichnungen: UHH/Wohlfahrt
Weiterführende Informationen:
Das Projektteam von LeTs-Go besteht aus Prof. Dr. Gabi Ricken und Prof. Dr. Marianne Nolte (beide Projektleitung), Dr. Johanna Hilkenmeier (Projektkoordination) sowie Dr. Angela Ehlers (BSB Hamburg; Projektbegleitung).
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.