IV. Schulentwicklungstheoretischer Zugang
Ausgangslage:
Die Entwicklung inklusiver Bildungsangebote und die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen im Kontext zunehmender Digitalisierung erzeugen einen wachsenden Druck auf Schulen – und damit auch mehr Ungewissheit. Die Einzelschule hat dabei als „pädagogische Handlungseinheit“ die Aufgabe, tragfähige Konzepte für eine inklusive und ‚digitale‘ Bildung zu entwickeln.
Nach einem (weit verbreiteten) Verständnis stellt Schulentwicklung einen zielgerichteten, systematischen und reflexiven Entwicklungsprozess dar, für dessen Ablauf und Wirkung in erster Linie die Schulleitungen und Lehrkräfte einer Schule selbst verantwortlich sind. Ein produktiver Umgang mit Ungewissheit verlangt nach Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung. Schulentwicklung kann folglich als der Versuch verstanden werden, Gewissheit, Kontrolle und Planbarkeit in einem Handlungskontext herzustellen, der stark von Ungewissheit geprägt ist.
Hier deutet sich eine Spannung zwischen Machbarkeit und Ungewissheit an, die im Diskurs um Schulentwicklung überwiegend einseitig in Richtung der Machbarkeit aufgelöst wird. Dabei wird die antinomische und dialektische Struktur des Problemfelds deutlich, denn während Schulentwicklungsprozesse versuchen, Ungewissheit produktiv zu wenden, tragen sie durch die dazu notwendigen Innovation gleichzeitig selbst zu ihrer Erhöhung bei.
Erkenntnisinteresse:
Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungsprozesse stehen Einzelschulen und ihre Akteure vor der Herausforderung, gemeinsam Schulentwicklungsprozesse zu gestalten. Zentrale Themen sind derzeit der Umgang mit heterogenen Lerngruppen und die Umsetzung inklusiven Unterrichts, die Realisierung von Ganztag oder die Implementation ‚digitaler‘ Bildung. Die Aufgabe, hierfür tragfähige Konzepte zu entwickeln, erzeugt einen wachsenden Druck auf Schulen – und damit auch mehr Ungewissheit.
Im Interesse eines tieferen Verständnisses von Schulentwicklungsprozessen empfiehlt sich neben der Nutzung quantitativer Daten (z.B. aus Fragebogenerhebungen mit unterschiedlichen Akteuren) eine tiefergehende Betrachtung von Prozessen auf Basis qualitativer Daten. In dieser Verknüpfung könnte ein Potenzial für die Generierung von Wissen liegen, wie Akteure in Einzelschulen unter den Bedingungen eines wachsenden Drucks durch aktuelle bildungspolitische Diskurse und Entscheidungen gemeinsam Entwicklungen gestalten. Der Fokus soll dabei auf dem Umgang mit inhärenten antinomischen Spannungen und Ungewissheiten liegen. Für die empirische Erforschung empfehlen sich Forschungskontexte, die im Rahmen mehrerer eigener Forschungsprojekte zu den o.g. Themen bereits erschlossen wurden und zu denen bereits empirische Befunde vorliegen, an die angeknüpft werden kann.
Forschungsfragen:
- Wie gehen Schulen mit dem wachsenden Druck durch aktuelle bildungspolitische Diskurse und Entscheidungen um und welche Maßnahmen entwickeln sie dabei?
- Wie lernen Lehrkräfte in Schulentwicklungsprojekten?
- Wie gehen diese mit den in Schulentwicklungsprozessen inhärenten antinomischen Spannungen und Ungewissheiten um?
- Welche Bedeutung haben dabei Kooperationsformen?
Beteiligte Personen:
Prof. Dr. Dagmar Killus & Jun.-Prof. Dr. Julia Gerick (Schulpädagogik)
Projekte:
- Einrichtung
- : Titel
- : Dauer
- : Projektleitung
Schulpädagogik, Sozialpädagogik, Behindertenpädagogik und Psychologie in Erziehung und Unterricht (EW 2)
- Titel: Projekt Lernen mit digitalen Medien
- Dauer: 2016 - 2017
- Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Eickelmann
- Titel: Wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase Gemeinschaftsschule Berlin
- Dauer: 2012 - 2015
- Projektleitung: Prof. Dr. Dagmar Killus, Prof. Dr. Johannes Bastian, Dr. Joachim Herrmann