Bildungssprachliche Praktiken in UnterrichtsgesprächenAnalysen aus einer videobasierten Unterrichtsstudie zu sprachbildendem Lehrerhandeln im Regelunterricht sprachlich heterogener Schulklassen
7. Oktober 2022, von Judith Keinath
Foto: UHH/BilLe
Dr. Vera Beckmann
Der Erfolg von Schüler*innen im Schulsystem ist eng verknüpft mit ihren sprachlichen Fähigkeiten, insbesondere in Bezug auf das Register der Bildungssprache. Im Kontext von sprachlicher und soziokultureller Heterogenität gewinnt das Handeln von Lehrkräften an Bedeutung, das Schüler*innen darin unterstützt, dieses Register zu erwerben und zu entwickeln. Neben Definitionen und Ansätzen, das Register der Bildungssprache zu fassen, ist das Wissen dazu, wie Lehrkräfte und Schüler*innen mit bildungssprachlichen Anforderungen im Unterricht umgehen, bisher begrenzt.
In der Dissertation wird die praxisbezogene Konzeption bildungssprachlicher Praktiken der Linguistinnen Heller und Morek als Grundlage genommen, um den Blick auf die Interaktion der Akteure im schulischen Unterricht zu richten und zu analysieren, wie dort mit bildungssprachlichen Anforderungen umgegangen wird. Es wird untersucht, wie Lehrkräfte in Unterrichtsgesprächen bildungssprachliche Praktiken vermitteln und ihre Schüler*innen darin unterstützen, ihre sprachlichen Fähigkeiten diesbezüglich zu erweitern und zu entwickeln.
Das Dissertationsprojekt wurde im Rahmen der Videostudie „Bildungssprachförderliches Lehrerhandeln (BilLe)“ (Projektleitung: Prof. Dr. Sara Fürstenau) entwickelt. Im Rahmen der Datenerhebung wurden zehn ausgewählte Lehrkräfte mit Erfahrungen und Erfolgen im Bereich Sprachlicher Bildung in ihrem regulären Unterricht gefilmt. Das Korpus umfasst 32 Zeitstunden Unterricht in unterschiedlichen Fächern in den Klassen 1-10 in zwei Grundschulen, einer Haupt-/Realschule und zwei Gymnasien. Ebenso wurde umfangreiches Kontextmaterial erhoben. Für das Dissertationsprojekt wurden in einem ersten Schritt im gesamten Filmkorpus 86 Unterrichtsgespräche und in diesem in einem zweiten Schritt 26 verschiedene bildungssprachliche Praktiken identifiziert. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden drei Unterrichtsgespräche ausgewählt, um diese qualitativ anhand von Videointeraktionsanalysen zu untersuchen.
Die Analysen geben einen vertiefenden Einblick in die Situiertheit bildungssprachlicher Praktiken und die Interaktionssituationen, in denen diese eingefordert und durchgeführt werden. Zusammenfassend zeigen die Analysen der Dissertation, wie die gefilmten Lehrkräfte in Unterrichtsgesprächen sprachliches und fachliches Lernen miteinander vernetzen und allen Schüler*innen Zugang zu einer sprachlichen Beteiligung ermöglichen.
Informationen zur Autorin
Vera Beckmann forscht und lehrt seit ihrem Studium (Germanistik, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft) zu der Umsetzung Sprachlicher Bildung im Regelunterricht. Sie hat als Wissenschaftliche Mitarbeiterin u.a. an der Universität Münster im Projekt „Bildungssprachförderliches Lehrerhandeln (BilLe; 2012-2014)“ gearbeitet und anknüpfend an die Forschungsergebnisse an der Universität Hamburg im Rahmen eines Lehrlabor-Projektes Seminarbausteine zum langfristigen Einsatz in der universitären Lehrkräftebildung entwickelt.
Derzeit arbeitet sie als Lehrkraft in der pädagogischen LRS-Therapie sowie an einem Berufskolleg in Münster und ist u.a. als Lehrbeauftragte an den Universitäten Münster und Hamburg an der Professionalisierung von (angehenden) Lehrkräften beteiligt.
Ihre Schwerpunkte liegen in den folgenden Bereichen: Sprachliche Bildung in allen Fächern, videobasierte Analyse und Reflexion von Unterrichtsinteraktion, Lehrkräftebildung mit Blick auf einen kompetenten Umgang mit gesellschaftlicher wie sprachlicher Vielfalt.
https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/9693 (erschienen 2022)
Dissertation betreut von Sara Fürstenau und Hedda Bennewitz (Universität Kassel)