Bildungssprachliche Praktiken im Rahmen von Unterrichtsgesprächen
Analysen aus einer videobasierten Unterrichtsstudie zur Sprachbildung im Regelunterricht sprachlich heterogener Schulklassen
Betreuerin: Sara Fürstenau
Der Erfolg von Schüler_innen im Schulsystem ist eng verknüpft mit ihren sprachlichen Fähigkeiten, insbesondere in Bezug auf das Register der Bildungssprache. Im Kontext von sprachlicher und soziokultureller Heterogenität gerät das Handeln von Lehrkräften in den Blick, das Schüler_innen darin unterstützt, dieses Register zu erwerben und zu entwickeln. Neben Definitionen und Ansätzen, das Register der Bildungssprache zu fassen, ist das Wissen dazu, wie Lehrkräfte und Schüler_innen mit bildungssprachlichen Anforderungen im Unterricht umgehen, bisher begrenzt. Die Linguistinnen Heller und Morek schlagen eine praxisbezogene Konzeption bildungssprachlicher Praktiken vor und definieren diese als sprachliche oder geschriebene Verfahren der Wissenskonstruktion und -vermittlung, die in schulischen Kontexten situiert sind.
Im Dissertationsprojekt wird diese Konzeption als Grundlage genommen, um den Blick auf die Interaktion der Akteure im schulischen Unterricht zu richten und zu analysieren, wie dort mit bildungssprachlichen Anforderungen umgegangen wird. Es wird untersucht, wie Lehrkräfte in Unterrichtsgesprächen bildungssprachliche Praktiken vermitteln und ihre Schüler_innen darin unterstützen, ihre sprachlichen Fähigkeiten diesbezüglich zu erweitern und zu entwickeln. Folgende Untersuchungsfragen leiten die Analysen:
- Wie gestalten Lehrkräfte Unterrichtsgespräche, in denen die Schüler_innen an der gemeinsamen Wissenskonstruktion beteiligt sind, und mit welchen bildungssprachlichen Anforderungen sind diese verbunden?
- Wie unterstützen Lehrkräfte ihre Schüler_innen, im Rahmen der Unterrichtsgespräche sprachlich angemessen zu handeln?
Das Dissertationsprojekt wurde im Rahmen der Videostudie „Bildungssprachförderliches Lehrerhandeln (BilLe)“ (Projektleitung: Prof. Dr. Sara Fürstenau) entwickelt. Im Rahmen der Datenerhebung wurden zehn ausgewählte Lehrkräfte mit Erfahrungen und Erfolgen im Bereich sprachlicher Bildung in ihrem regulären Unterricht gefilmt. Das Korpus umfasst 32 Zeitstunden Unterricht in unterschiedlichen Fächern in den Klassen 1-10 in zwei Grundschulen, einer Haupt-/Realschule und zwei Gymnasien. Ebenso wurde umfangreiches Kontextmaterial erhoben. Für das Dissertationsprojekt wurden in einem ersten Schritt im gesamten Filmkorpus 86 Unterrichtsgespräche identifiziert. In diesen Unterrichtsgesprächen wurden in einem zweiten Schritt 26 verschiedene bildungssprachliche Praktiken identifiziert. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden drei Unterrichtsgespräche ausgewählt, um diese vertiefend anhand von Videointeraktionsanalysen zu untersuchen.
Die Analysen geben einen vertiefenden Einblick in die Situiertheit bildungssprachlicher Praktiken und die Interaktionssituationen, in denen diese eingefordert und durchgeführt werden. Die qualitativen Analysen zeigen, wie die Lehrkräfte ihre Schüler_innen sprachlich unterstützen und an bildungssprachlichen Praktiken in den Unterrichtsgesprächen beteiligen. Anhand der Analysen eines Unterrichtsgesprächs, in dem eine Präsentation von Schülern der 3. Klasse durchgeführt und moderiert wird, wird beispielsweise gezeigt, wie die Lehrkräfte Raum für das sprachliche Lernen ihrer Schüler_innen eröffnen.
Zusammenfassend zeigen die Analysen des Dissertationsprojektes, wie die gefilmten Lehrkräfte in Unterrichtsgesprächen sprachliches und fachliches Lernen miteinander vernetzen und allen Schüler_innen Zugang zu einer sprachlichen Beteiligung ermöglichen. Im Rahmen von globalen Migrations- und Diversifizierungsprozessen werden Schulklassen und Lerngruppen mehrsprachiger und soziokulturell heterogener. Im Rahmen der Debatten um soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen ist weitere empirische Forschung zu dem Thema, wie Lehrkräfte alle Schüler_innen darin unterstützen können, bildungssprachliche Anforderungen im Unterricht zu bewältigen, von besonderer Bedeutung.
Academic discourse practices in classroom conversations
Analyses from a video-based classroom study on language education in regular multilingual lessons
Supervisor: Sara Fürstenau
Students’ success in school is closely linked to mastering academic language. In the context of linguistic und socio-cultural diversity, teaching practices which support students’ acquisition of this capability have become increasingly important. Besides definitions and some approaches to an understanding of academic language, knowledge about teachers’ and students’ actual practices when dealing with linguistic requirements in educational contexts is still limited. The linguists Heller and Morek advocate a practice-based approach to academic discourse and put forward a concept of academic discourse practices. These practices comprise spoken and/or written communicative genres that are situated in educational activities and serve (institutional) purposes of knowledge construction and knowledge transfer. In the present study, the chosen theoretical perspective takes a closer look at language interaction in social contexts and is used as a basis for analyzing the significance and nature of dealing with academic language in school. The study analyzes the teaching of academic discourse practices in regular multilingual classrooms focusing on teachers’ activities in classroom conversations. The following research questions provided the guidelines for the analysis:
- What kind of interactive situations are created by the teachers, and what kind of academic discourse practices do they require?
- How do the teachers support their students in these situations with regard to the adequate use of language?
The study was developed within the framework of the video-based classroom study „Bildungssprachförderliches Lehrerhandeln“ (BilLe; English: Teaching Academic Discourse Practices“) under the project management of Prof. Dr. Sara Fürstenau. As part of the data collection process, ten selected teachers with experience and success in language education were filmed in their regular classes. Total recording time was 32 hours and comprises regular lessons in grades 1–10 in two primary schools, one secondary school and two advanced secondary schools. A wide range of subjects was recorded and contextual data was collected. For the dissertation project, first 86 relevant classroom conversations were identified within the entire corpus of filmed lessons. In a second step, 26 different academic discourse practices were identified in these classroom conversations. Based on these results, three selected classroom conversations were analyzed using interpretive video interaction analysis.
These analyses provide a deeper understanding of the interactive situations in which academic discourse practices are required and practiced. The applied qualitative methods identify ways in which the teachers support and encourage their pupils in the use of academic discourse practices in classroom conversations. Focusing e.g. on a presentation, the teachers of a third-grade class arranged an interactive space that integrates the pupils into the management of this institutional setting, thereby demanding and rehearsing different forms of academic discourse practices. All in all, the results point to ways in which the filmed teachers intertwine language and content learning in the classroom conversations for all their students. Due to widespread migration and diversification processes, classes everywhere are becoming increasingly multilingual and socially diverse. Further empirical research on this issue is needed to supplement the ongoing debate about social justice and equal opportunities.
- Dauer: eingereicht/abgeschlossen 2020
- Projektleitung: Vera Beckmann