Reihe „Transferprojekte 2023 nachgefragt“Transferprojekt „Lernorte im Alter“: Wo lernen ältere Menschen in Hamburg?
11. Dezember 2024
Foto: UHH/Gießelmann
Als eines von vier Projekten der Fakultät für Erziehungswissenschaft wurde das Transferprojekt „Lernorte im Alter“ von Prof. Dr. Claudia Kulmus im Zeitraum von September 2023 bis Juni 2024 vom Transferfond der Universität unterstützt. Mit einem innovativen Forschungsdesign hat das Team erfasst, wo und wie ältere Menschen in Hamburg lernen. Zeit, nun einen Blick auf narrative Landkarten und neue Erkenntnisse zu werfen.
Mit ihrem Forschungsprojekt widmete sich Prof. Dr. Kulmus der Frage, an welchen Lebensorten und in welchen Aktionsräumen Lernen im Alter besonders gut funktioniert. Das Projektteam wollte wissen: „An welchen Orten im Quartier bewegen sich ältere Menschen? Welche Orte und Wege sind für sie wichtig? Welche Lernpotenziale gibt es dort?“. Die Antworten gaben ältere Menschen aus Hamburg: In selbst gezeichneten "narrativen Landkarten" zeichneten sie ihren eigenen Aktionsraum und erläuterten in begleitenden Interviews, warum diese Orte für sie wichtig sind und wo sich für sie informelle Lernmöglichkeiten finden. Informell meint, dass es nicht um Bildungsträger wie beispielsweise Volkshochschulen geht, sondern um alltägliche Lernorte (sowohl Natur, Freizeitmöglichkeiten, Cafés, Buchläden als auch soziokulturelle Zentren und Begegnungsstätten, Bibliotheken, Museen, Theater etc.). Ausgewählte Orte wurden außerdem von den älteren Menschen selbst oder dem Forscherinnenteam besucht und fotografisch dokumentiert.
Die große Relevanz des Transferprojektes zeigt sich gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels hin zu einer alternden Gesellschaft und Hamburgs entsprechendem Vorhaben, bis Ende 2024 Teil des WHO-Netzwerkes „Age-friendly Cities“ zu werden. Hiernach soll das Stadtleben so gestaltet werden, dass es für ältere Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zugänglich und inklusiv ist.
Was leisten Lernorte?
Im Juli wurden im Rahmen einer Abschlusstagung erste Ergebnisse aus dem Projekt vorgestellt. Dabei wurden die narrativen Landkarten aus verschiedenen Hamburger Stadtvierteln und Erkenntnisse aus den Interviews präsentiert, gemeinsam diskutiert und weiterentwickelt. Zudem gab es Raum für den Austausch zwischen allen Beteiligten des Projektes und Interessierten aus Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Senior:innenarbeit, der Politik und studierenden Forschungsgruppen. In einen Workshop zu Landkarten zu Lebens- und Lernorten in Stadtteilen wurden Perspektiven zu Wünschen, Interessen und Barrieren in Quartieren diskutiert.
„Interessant war, dass neben Orten auch Wege und Tätigkeiten genannt wurden“, so Prof. Kulmus. „Wege sind erstens wichtig als Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen und zweitens auch Selbstzweck, wenn es z.B. um Spazierwege durch die Stadt, durch Grünflächen in der Stadt (Parks, Weiher etc.) oder in der Natur geht. Hier ist Barrierefreiheit wichtig und v.a. der Zugang zu gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmitteln.“
Durch die Forschung können die Wissenschaftlerinnen nun besser zeigen, wofür die Orte (und Wege und Tätigkeiten) gut sind, also was sie für älter Menschen „leisten“. Die Funktionen reichen von sozialen Kontakten, Lernen und Ehrenamt über Stadtaneignung und biografische Vergewisserung bis zu Reproduktionsarbeit und Gesunderhaltung. Diese Bedürfnisse eröffnen den Blick auf notwendige Angebote im städtischen Raum und Potenziale von Bildungsarbeit und Kooperationen verschiedener Einrichtungen, so Prof. Kulmus. „Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass einige Senior:innen extra für das Alter noch einmal in ein sehr urbanes, belebtes oder explizit altersfreundlicches Quartier gezogen sind, in dem– oft fußläufig – ein gutes Angebot zu erwarten ist.“
Vernetzung empfohlen
Neben der Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln hebt das Forschungsteam die Vernetzung der Anbietenden hervor: Ältere Menschen wissen nicht immer gut Bescheid, was es wo gibt und wie Zugänglichkeit und Kosten aussehen.
Im Transfer-Workshop wurden zudem folgende Aspekte hervorgehoben: Mobilität und Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln sind eine Voraussetzung für selbstbestimmtes Altern. Es wurden zudem Informationsdefizite und Unsicherheiten über die Zugänglichkeit und Kosten bestimmter Angebote deutlich. Einrichtungen wie Seniorenfreizeittreffs, Bürgerzentren, Volkshochschulen, das Kontaktstudium der Uni Hamburg, aber auch Theater und Museen hätten hier ein großes Potenzial für stärkere Verweisungsstrukturen, ohne dabei zu stark in Konkurrenz zueinander treten zu müssen. In der Hinsicht könne gerade die Volkshochschule als zentraler kommunaler Akteur mit einem Bildungsauftrag für alle vernetzen und damit ältere Menschen unterschiedlichster Hintergründe erreichen.
Ergebnisse auf Projekt-Webseite veröffentlicht
Alle Materialien und Ergebnisse (inklusive der narrativen Landkarten) sind auf der Webseite gesammelt, die nun veröffentlicht wurde. Über die abschließende Transfertagung konnte auch das Gespräch mit Akteur:innen aus der Politik initiiert werden und über die Projektseite sind die Wissenschaftler:innen weiterhin als Ansprechpartner:innen für das Thema kontaktierbar. Beim Forum Citizen Science in Hamburg stellten die Forscherinnen zudem den Mehrwert visualisierender qualitativer Forschungszugänge (wie die narrativen Landkarten) als Tool der Stadtaneignung heraus, welches insbesondere für die partizipative Forschung mit Bürger:innen sehr geeignet scheint.