„Willkommen an Bord“Reflexive Fähigkeiten von Lehrkräften stärken und ausbauenHilke Pallesen verstärkt die Erziehungswissenschaft
29. August 2024
Foto: Jessen Mordhorst
Prof. Dr. Hilke Pallesen ist von der Universität Martin-Luther-Universität Wittenberg-Halle nach Hamburg gekommen und wird ab September 2024 eine Professur an der Fakultät für Erziehungswissenschaft für „Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Professionalität und Professionsentwicklung von Lehrkräften“ antreten.
Ihr Weg als Wissenschaftlerin in fünf Sätzen?
Ich habe zunächst an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg Sport- und Wirtschaftswissenschaften studiert und dort auch im Bereich der Sportpädagogik promoviert. Mein Interesse für die Professions- und Schulforschung hat mich danach an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg geführt, wo ich dann als Post-Doc in der Schulpädagogik gearbeitet habe und ein eigenes Forschungsprojekt zum Verhältnis von Profession und Organisation einwerben konnte. Zwischendurch habe ich an der Universität Bremen drei Semester lang die Professur für Schultheorie und empirische Bildungsforschung vertreten und zuletzt war ich zwei Semester an der Stiftung Universität Hildesheim, um dort die Professur für Sportdidaktik zu vertreten. Ich freue mich darauf, dass ich an der Fakultät für Erziehungswissenschaft mit ihrer interdisziplinären Ausrichtung meine Interessen für die Professions- und Lehrer:innenforschung, aber auch für Schule, Unterricht und Fachdidaktik zusammen führen kann.
Wie beschreiben Sie Ihr Forschungsgebiet in wenigen Sätzen?
Ich beschäftige mich mit dem Lehrer:in-Sein und -Werden aus einer strukturalistisch-praxeologischen Perspektive der Professionsforschung. Der Schwerpunkt dieser Perspektive liegt auf der Frage, wie die institutionellen Strukturen (wie beispielsweise die spezifischen Bedingungen, Partizipations- und Anerkennungsverhältnisse einer Einzelschule oder auch die fach- und unterrichtsbezogenen Anforderungen) mit den verinnerlichten Strukturen (wie den gewohnheitsmäßigen Handlungs-, Denk- und Wahrnehmungsschemata) der schulischen Akteure zusammenhängen. Insbesondere die Ebene der impliziten, routineförmigen und in der Regel nicht bewussten Wissensbestände, die ich in meiner Forschung über das Konzept des Lehrer:innenhabitus in den Blick nehme, lassen sich dabei als handlungsleitend und empirisch relevant für das Lehrer:innenhandeln und die Entwicklung von Professionalität herausstellen.
Wie erklären Sie Ihre Forschung ganz einfach verständlich?
Wie meine Denomination schon gut beschreibt, treibt mich die Frage um, wie Lehrpersonen überhaupt professionell werden. Damit verbunden sind Fragen, was pädagogisches professionelles Handeln überhaupt ausmacht, wie sich dieses erfassen lässt, aber auch, wie Lehrpersonen in die typischen Handlungsprobleme ihres Berufs hineinfinden. Von besonderer Bedeutung sind hier vor allem die Gewohnheiten und Einstellungen, die Personen im Laufe ihres Lebens durch ihre Erfahrungen in Schule und Unterricht sowie durch die Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Studiums, der einzelnen Fächer und der Schule entwickeln. Insbesondere das Hineinfinden in den Lehrer:innenberuf, die Auseinandersetzung mit Unsicherheiten, Ungewissheiten und Unbestimmtheiten im beruflichen Handeln möchte ich näher erforschen.
Zu welchen aktuellen gesellschaftlichen Themen oder Herausforderungen möchten Sie Ihre wissenschaftliche Expertise beitragen (und wie)?
In einer zunehmend komplexen und diversifizierten Welt stehen (angehende) Lehrkräfte vor vielfältigen Herausforderungen, sei es der Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer, die Digitalisierung im Unterricht oder auch die Unterstützung von Schüler:innen in Krisensituationen. Meine Forschung zu Professionalität und Professionalitätsentwicklung setzt hier an und ich möchte meine Expertise gerne für die Professionalisierung im Lehrer:innenberuf in Zeiten gesellschaftlicher Veränderung beitragen. Meine Forschung zielt darauf ab, Lehrkräfte auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Dazu gehört es, ihnen nicht nur fachliches Wissen zu vermitteln, sondern auch ihre reflexiven Fähigkeiten zu stärken und auszubauen.
Worauf dürfen Studierende sich freuen oder gespannt sein?
Ich finde die Frage schwierig zu beantworten. Auf jeden Fall hat sie mich zum Nachdenken angeregt. Vielleicht fange ich damit an, dass ich vor allem gespannt darauf bin, die Perspektiven der Studierenden kennen zu lernen und auch von ihnen zu lernen. Die Studierenden dürfen sich also darauf freuen, dass sie eigene Ansichten und Erfahrungen in meine Seminare einbringen können. Mir geht es um eine Gesprächskultur, in der Austausch eine wesentliche Rolle spielt, in der man gemeinsam hinter die Kulissen – und manchmal auch darüber hinaus – des Lehrer:in-Werdens blickt. Ich möchte fachlich in die Tiefe gehen und gleichzeitig vermitteln, dass man den Widrigkeiten und Ungewissheiten von Schule, Unterricht und Lehrer:innenhandeln auch mit Humor entgegen blicken kann.
Was wollen Sie an der Universität Hamburg oder von der UHH ausgehend bewirken, bspw. in Bezug auf Lehre, Transfer, Nachhaltigkeit etc.?
An der Universität Hamburg möchte ich dazu beitragen, eine forschungsgeleitete und reflexive Lehrer:innenbildung weiter zu entwickeln. Mein Ziel ist es, in Lehre und Forschung Studierende bestmöglich auf die komplexen Anforderungen des Lehrer:innenberufs vorzubereiten.
In Bezug auf Nachhaltigkeit und Transfer sehe ich meine Rolle darin, Forschungsergebnisse nicht nur innerhalb der akademischen Gemeinschaft zu teilen, sondern auch in die Praxis zu bringen. Das bedeutet, Kooperationen mit Schulen zu stärken und gemeinsam an nachhaltigen Konzepten zu arbeiten. Ich möchte durch meine Arbeit dazu beitragen, dass die Universität Hamburg eine aktive Rolle in der Gestaltung einer zukunftsfähigen und gerechten Bildung einnimmt. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, eine Kultur des lebenslangen Lernens und der Reflexion zu fördern. Sowohl Studierende als auch Lehrkräfte sollen ermutigt werden, ihre pädagogische Praxis kontinuierlich zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Auf diese Weise möchte ich an der Universität Hamburg ein Umfeld schaffen, in dem Lehre, Forschung und Praxis in einem dynamischen und produktiven Dialog stehen.
Wie sieht Ihre internationale Zusammenarbeit aus, mit welchen Universitäten oder Institutionen arbeiten Sie zusammen?
Die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen anderer Hochschulen und damit verbundener vernetzter Erkenntnisbildung erlebe ich als sehr gewinnbringend für meine eigene Forschung. Fragen der Professionalität und Professionalitätsentwicklung lassen sich sehr gut grenzüberschreitend auch in anderen Bildungssystemen schärfen und untersuchen. Zuletzt habe ich als critical friend in einem vom Schweizer Nationalfond finanzierten Projekt von Prof. Dr. Tobias Leonhard mitwirken dürfen, der in einem großen Längsschnitt das Hineinfinden von Studierenden in den Lehrer:innenberuf untersucht hat.
Worauf freuen Sie sich in Hamburg?
In Hamburg habe ich vor 20 Jahren im Rahmen meines Sportstudiums das Rudern gelernt und würde gerne herausfinden, ob ich das noch kann! Ansonsten freue ich mich natürlich auf den einen oder anderen Abend in Strand Pauli.