Soziale Ungleichheit überwinden - Nachbericht zum Dies Academicus
15. Februar 2024, von Vorbereitungs-Gruppe des Dies Academicus
Foto: UHH/Muhl
Am 16. Januar fand der Dies Academicus der Fakultät Erziehungswissenschaft zum Thema „Zur Überwindung der sozialen Ungleichheit – Antworten aus der Erziehungswissenschaft“ statt.
Claus Krieger, gegenwärtig Prodekan für Forschung, Nachwuchsförderung und Internationalisierung und zukünftiger Dekan der Fakultät Erziehungswissenschaft, begrüßte gemeinsam mit Sinah Mielich (FSR Erziehungswissenschaft) aus der Vorbereitungsgruppe die über 150 Anwesenden im Anna-Siemsen-Hörsaal.
Claus Krieger betonte, dass Dies Academici eine lange und gute Tradition an der Fakultät haben und ein Ort sind, an dem gesellschaftlich relevante Themen – in der Vergangenheit waren dies etwa Themen wie Friedensbildung, Nachhaltigkeit und Inklusion – aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive behandelt werden.
In ihren einführenden Worten verwies Sinah Mielich auf die am Vortag erschienene Studie „Inequality Inc.“ der Entwicklungsorganisation Oxfam, in der u.a. herausgestellt wird, dass die fünf reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppeln konnten, während die ärmeren knapp fünf Milliarden Menschen im selben Zeitraum rund 20 Milliarden US-Dollar an Vermögen verloren haben. Oxfam weist darauf hin, dass Ungleichheit die Demokratie untergräbt sowie maßgeblich dazu beiträgt, dass die Klimakrise sich zu einer Katastrophe ausweitet. Vor diesem Hintergrund fordert Oxfam dringend eine Besteuerung hoher Vermögen und die Investition in Klimaschutz, Ausbau von Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung. Sinah Mielich kontrastierte diese Entwicklung mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, deren Verwirklichung sich auch die Universität Hamburg verschrieben hat und zu denen auch die Überwindung von Armut und der Abbau von Ungleichheiten gehören.
„Wo eine Villa ist, da ist auch ein Weg“
Nach der Eröffnung schloss sich der Vortrag des Politikwissenschaftlers und Armutsforschers Prof. Dr. Christoph Butterwegge zum Thema „Soziale Ungleichheit als strukturelles Problem“ an. Er sprach sehr anregend zu den Gründen der Verstärkung der Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten (Deregulierung des Arbeitsmarktes, Um- und Abbau des Sozialstaats und eine Steuergesetzgebung nach dem Matthäus-Prinzip) und skizzierte Lösungsansätze, die zu einer Umkehr dieser Entwicklung und einer Milderung der sozialen Ungleichheit führen können: Regulierung des Arbeitsmarktes, ein Um- und Ausbau des Sozialstaats sowie eine gerechte und solidarische Steuerpolitik. Für eine grundsätzliche Lösung des strukturellen Problems der Ungleichheit seien allerdings weitergehende Schritte wie die Überwindung des Kapitalismus erforderlich. Wesentlich herausgefordert seien pädagogisch Tätige in dem Zusammenhang, den sogenannten meritokratischen Mythos in seiner Funktion, soziale Ungleichheit zu legitimieren, zu hinterfragen.
In der anschließenden Diskussion wurde u.a. auf die Gefahr für die Demokratie, die von der wachsenden Ungleichheit ausgeht, hingewiesen und diskutiert, wie stärker die Verhältnisse, die Ungleichheit hervorbringen, denn individuelles Verhalten in den Fokus genommen werden können.
Eine Aufzeichnung des Vortrags ist bei Lecture2Go abrufbar und unten in der Video-Box verlinkt.
Nach einer Stärkung mit Franzbrötchen und Kaffee startete anschließend die Workshop-Phase. In fünf Workshops wurden unterschiedliche Aspekte der Thematik aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive vertieft:
Eric van der Beek ging in seinem Workshop der Frage nach, welche Auswirkungen die Digitalisierung im Bildungsbereich auf soziale Ungleichheiten hat.
Alina Gerckens, Marleen Broszeit und Marla Kiefer diskutierten in ihrem Workshop das JEA!- Programm (Jedem/Jeder einen Abschluss) des Vereins Schlaufox e.V.
Silke Reindl verhandelte in dem Workshop „Schulen in sozial benachteiligten Lagen ≠ schlechte Schulen“ welche Wege es gibt, um soziale Ungleichheit in der Schule zu thematisieren und Stigmatisierung entgegenzuwirken.
In dem Workshop „‘BAFÖG für alle‘ - Kämpfe um die Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden“ diskutierten Aktive aus der gleichnamigen Kampagne, wie das Ziel einer Ausbildungsförderung als Vollzuschuss, alters-, eltern- und herkunftsunabhängig und in Höhe der realen Lebenshaltungskosten durchgesetzt werden kann.
Prof. Dr. Christopher Ashley Burkett von der School of Social Work an der California State University stellte in dem Workshop “Through Their Digital Eyes: Adding to the Subtracted Space” ein Forschungsprogramm vor, das die Förderung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen zum Ziel hat.
In der Abschlussdiskussion wurden die Ergebnisse des Tages und Konsequenzen für die Erziehungswissenschaft diskutiert. Unter anderem wurde die Frage diskutiert, wie die Bildung von Solidarität in den verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern und handlungsfeldübergreifend gelingen und befördert werden kann. Der Abend schloss ab mit einer szenischen Lesung aus der Erzählung „Schluckebier“ von Georg K. Glaser (1932) und angeregten Gesprächen bei Musik, Suppe und Getränken.
Der Dies Academicus hat den großen Gesprächsbedarf unter den Teilnehmenden der verschiedenen Mitgliedergruppen zur gewählten Fragestellung deutlich gemacht. Das Potential, sich in einer gesamten Fakultät mitgliedergruppenübergreifend einem gemeinsamen Thema zu widmen, ist groß und längst nicht ausgeschöpft
Es wäre äußerst wertvoll, daran zukünftig in Bezug auf weitere aktuelle Herausforderungen und Fragestellungen anzuknüpfen.