Zusammenfassung des Podcast Bildungsschnack, Folge 06 im Juni 2022: Dies ist eine schriftliche Zusammenfassung des Gespräches und darf ausschließlich nach Abstimmung mit der Urheberin (Fakultät für Erziehungswissenschaft, UHH) weiterverwendet werden.
Bildungsschnack:
Lehrlabore in der Mathematik
Entwicklung und Förderung
Professioneller Unterrichtswahrnehmung
Schlagworte: Mathematik, Lehrlabore, Professionelle Unterrichtswahrnehmung
Moderation: Dr. Katrin Steinvoord
Intro
Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcast Bildungsschnack. Wie jeden Monat wollen wir auch heute ein spannendes Forschungsprojekt aus der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg unter die Lupe nehmen.
In der sechsten Folge habe ich Frau PD Dr. habil Katrin Vorhölter und Alina Alwast zu Gast (sinngemäße Zusammenfassung des Gesprächs):
Lehrlabore von L3Prof
Katrin Vorhölter erklärt, dass es in dieser Folge um ganz besondere Lehrlabore gehen soll – nämlich um Lehrlabore von L3Prof (Lehrlabore Lehrerprofessionalisierung) im Rahmen von ProfaLe („Professionelles Lehrerhandeln zur Förderung fachlichen Lernens unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen“) einer Initiative der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Diese Lehrlabore können finanziell bezuschusst werden für Dozierende, die ihre Lehre im Bereich der Lehramtsausbildung verbessern und innovative Angebote ausprobieren möchten. Jedes Lehrlabor muss sich einem der vier Handlungsfelder von ProfaLe zuordnen: „Kooperation zwischen Fächern und Fachdidaktiken“, „Sprachlich-kulturelle Heterogenität“, „Inklusion“ oder „Phasenübergreifende Kooperation“ (Ergänzend: „Digitalisierung/Digitalität“). Die wissenschaftliche Evaluierung ist Teil der Forschungsarbeit von Katrin Vorhölter und auch Alina Alwast. In der Mathematikdidaktik waren die Lehrlabore bisher meist in den Bereichen: „Kooperation zwischen Fächern und Fachdidaktiken“, „Phasenübergreifende Kooperation“ und „Digitalisierung/Digitalität“ verortet.
Das Team der Mathematikdidaktik, welches sich derzeit vornehmlich um die Durchführung und Evaluation der L3Prof-Lehrlabore gemeinsam mit Katrin Vorhölter kümmert umfasst die folgenden Personen: Marie-Luise Schütt (Inklusion), Ann-Sophie Stuhlmann (Kooperation Fach/Fachdidaktik) sowie Alina Alwast und Katrin Vorhölter. Weitere Akteure (auch in der Mathematikdidaktik) arbeiten ebenfalls mit Lehrlaboren.
(Weiter-)Entwicklung der Professionellen Unterrichtswahrnehmung
Für Alina Alwast war das Lehrlabor der Ausgangspunkt ihrer (bald abgeschlossenen) Promotion. Sie erforscht wie man in einer komplexen Unterrichtssituation, in der sehr viel gleichzeitig passiert, die relevanten Aspekte wahrnimmt und zu einer sinnvollen Handlung zu kommt. Dies wird gebündelt unter dem Schlagwort „Professionelle Unterrichtswahrnehmung“. Die Forschung von Alina Alwast konzentriert sich dabei auf die (Weiter-)Entwicklung der Professionellen Unterrichtswahrnehmung von Mathematiklehramtsstudierenden beim mathematischen Modellieren innerhalb des Lehrlabors. Mathematisches Modellieren ist ein Teilbereich der Mathematik, bei dem die Aufgaben sehr realitätsnah sind und dadurch oft eine Vielzahl an Lösungen ermöglichen. Dies wiederum kann eine sehr komplexe Unterrichtssituation hervorrufen, in der die Professionelle Unterrichtswahrnehmung der (angehenden) Lehrer:innen herausgefordert wird. Mit Hilfe von Videovignetten wird daher in diesem Fall versucht, die Fähigkeit der Unterrichtswahrnehmung zu schulen und zu verbessern. Um diesen potentiellen Entwicklungsfortschritt messen zu können, hat Alina Alwast ein Instrument entwickelt, welches die Studierenden am Anfang und am Ende des Seminars ausfüllen mussten. Dabei mussten die Studierenden offene Fragen zu gesehenen Videos beantworten, beispielsweise: „Welche Schwierigkeit nimmst du an dieser Stelle wahr?“. Eine Entwicklung in diesem Bereich kann nicht auf einer Skala von gut bis schlecht dargestellt werden – die Ergebnisse sind sehr viel individueller und differenzierter. Ein Beispiel: In einem Video ist eine Schüler:innengruppe zu sehen. Am Anfang des Seminars sprechen einige Studierende ausschließlich über die Gruppe und am Ende wird der Blick auch auf einzelne Personen dieser Gruppe gelegt; die Schüler:innen werden differenzierter betrachtet. Ein weiterer Entwicklungsschritt ist, dass die Studierenden am Anfang nur eine geringe Anzahl an Schwierigkeiten innerhalb des Videos identifizieren können und nach dem Seminar eine deutliche Steigerung vorhanden ist, also mehr Schwierigkeiten wahrgenommen werden. Es gibt also eine Vielzahl von Entwicklungsschritte, die von den Studierenden gemacht werden können.
Relevanz der Ergebnisse
Die Steigerung der Professionellen Unterrichtswahrnehmung und wie dies passieren kann ist für eine Vielzahl an Personen relevant. Vor allem für diejenigen, die im Bereich der Lehrer:innenausbildung arbeiten, sowohl an der Universität aber auch zum Beispiel im Bereich der Lehrer:innenfortbildung. Die Förderung der Professionellen Unterrichtswahrnehmung ist dabei nicht auf die Mathematikdidaktik beschränkt. Die Ergebnisse sind durchaus übertragbar auf andere Fächer (Forschung hierzu findet in der Erziehungswissenschaft vielfach auch im Rahmen von ProfaLe statt). Es erscheint sehr wichtig, diese Reflexionsprozesse zur Professionellen Unterrichtswahrnehmung und auch zur Anwendung des Fachwissens auch in der recht frühen Phase der Ausbildung in der Universität anzustoßen und die Entwicklung dieser Kompetenzen zu fördern.
Herausforderungen im Forschungsprozess: Die Gewinnung von Teilnehmer:innen stellt für Alina Alwast eine der größten Herausforderungen während des Forschungsprozesses dar. Am Ende des Forschungsprozesses (Durchführung von insgesamt drei Seminaren) ist es erleichternd für sie zu wissen, dass sie genügend Personen gefunden hat, die die Fragen gewissenhaft ausgefüllt haben.
Persönliche Motivation
Für Alina Alwast liegt die Motivation vor allem bei den zugrundeliegenden Aufgaben. Mathematisches Modellieren befasst sich mit realitätsnahen Aufgaben, wobei man den Schüler:innen und/oder Studierenden zeigen kann, dass man auch mit einer mathematischen Brille durch die Welt laufen kann und diese so neu/anders entdecken kann. Ähnlich findet Alina Alwast es spannend, dass die gleiche Situation von einzelnen Personen ganz unterschiedlich interpretiert wird. Hierin sieht sie eine Chance, dass man im Seminargeschehen auch von den anderen Teilnehmer:innen lernen kann. Die persönliche Motivation von Katrin Vorhölter, sich mit dem Thema der Professionellen Unterrichtswahrnehmung zu befassen, rührt auch aus dem privaten Umfeld. Dabei nimmt sie wahr, dass einige der Lehrkräfte ihrer drei Kinder durchaus noch Verbesserungspotential bei ihrer Professionellen Unterrichtswahrnehmung haben. Die Studierenden zu schulen, auf den/die individuellen Schüler:in zu achten ist ihr daher besonders wichtig.
Ausblick
Derzeit läuft ein Seminar, in dem Studierende sind, die in einem zurückliegenden Seminar im Fach Mathematik Modellierungsaufgaben (auf ihrem Niveau) im Bereich der Stochastik (Wahrscheinlichkeitsrechnung) bearbeitet haben. Diese Studierenden haben dann das Angebot bekommen, an einem Fachdidaktikseminar teilzunehmen, in dem es explizit ebenfalls um Modellierungsaufgaben im Bereich Stochastik geht. Dieses zweite Seminar läuft gerade und es soll evaluiert werden, wie die eigene Bearbeitung der Modellierungsaufgaben (auf einem hohen Niveau) für Schüler:innen in den Klassenstufen 8-10 heruntergebrochen werden kann. Damit soll auch die Relevanz dessen, was die Studierenden im Fach lernen für die Fachdidaktik hervorgehoben werden. Hierbei wird den Studierenden noch einmal versucht kenntlich zu machen, dass es wichtig ist, auf einer höheren fachlichen Stufe zu stehen, als die Schüler:innen. Zum einen, um die Ergebnisse der Schüler:innen zu verstehen, aber auch, um den Unterricht gut im Vorfeld planen zu können und Ungewissheiten während des Prozesses aushalten zu können.
Outro
Dies war eine Folge vom Bildungsschnack. Jeden Monat wird hier ein Forschungsprojekt der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg vorgestellt – wenn Sie wissen wollen, zu welchen Themen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unserer Fakultät forschen, wie genau sie das eigentlich machen und welche Relevanz das für Bildung und Gesellschaft hat, dann abonnieren Sie uns bei Spotify oder iTunes oder besuchen uns auf der Seite des Bildungsschnacks.
Danke für’s Zuhören, Tschüss und bis zum nächsten Mal!