Zusammenfassung des Podcast Bildungsschnack, im Mai 2023: Dies ist eine schriftliche Zusammenfassung des Gespräches und darf ausschließlich nach Abstimmung mit der Urheberin (Fakultät für Erziehungswissenschaft, UHH) weiterverwendet werden.
Bildungsschnack:
Klimawandel als Unterrichtsthema oder digitales Klassenbuch: Datenkompetenzen für Lehrkräfte
Ein interdisziplinäres Projekt zwischen Geographie- und Informatik-Didaktik
Schlagworte:
Datenkompetenz, Data Literacy, Geoinformatik, Unterricht
Moderation:
Dr. Katrin Steinvoord
Intro:
Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcast Bildungsschnack. Wie jeden Monat wollen wir auch heute ein spannendes Forschungsprojekt aus der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg unter die Lupe nehmen.
In dieser Bildungsschnack-Folge geht es um das Lehrprojekt „Datenkompetenz für Lehrkräfte“. Zu Gast sind Prof. Dr. Sandra Schulz und Prof. Dr. Sandra Sprenger. (sinngemäße Zusammenfassung des Gesprächs):
Prof. Dr. Sandra Schulz ist Juniorprofessorin im Bereich Didaktik der Informatik und kümmert sich um die informatischen Anteile im Projekt. Prof. Dr. Sandra Sprenger ist Leiterin des Arbeitsbereiches Didaktik der Geographie und beteiligt am uniweiten Projekt DDLitLab (Digital and Data Literacy in Teaching Lab).
Das Projekt ist eher ein Lehr- als ein Forschungsprojekt. Es geht darum, wie Digital Data- und Literacy-Kompetenzen in die universitäre Lehre für Lehramtsstudierende eingebracht und implementiert werden können. Daraus entwickelte sich parallel auch ein Forschungsinteresse, wodurch das Lehrprojekt auch forschende Anteile hat.
Digital Data- und Literacy-Kompetenzen beschreiben den kompetenten Umgang mit Daten und damit verbundenen Prozessen. Spannend in diesem Lehrprojekt ist, dass Studierende aus allen Fächern des Lehramt-Studiums zusammenkommen, gemeinsam Forschungsprojekte mit eigenen Fragestellungen entwickeln und für Geographie und Informatik begeistert werden konnten. So wurden verschiedene Themen der Geographie im Bereich Klimawandel, Wettermessungen usw. in den Blick genommen. Die Studierenden erhielten Handwerkszeug zur Data Literacy (Daten sammeln, bewerten, managen, anwenden etc.), erhoben zu ihrem Forschungsprojekt selbst Daten, werteten diese aus und interpretierten sie.
Prof. Dr. Sandra Sprenger erklärt den Zusammenhang des Lehrprojektes zu ihrer Tätigkeit in der Geographiedidaktik. Der Bereich der Geoinformatik ist per se eine Schnittmenge zwischen Geographie und Informatik, der bestimmte Prozesse interdisziplinär betrachtet. Der Themenkomplex Wetter, Klima und Klimawandel eignete sich da besonders gut für das Lehrprojekt, weil die Wetterdaten gut eigenständig aufgenommen werden können und der gesamte Datenverarbeitungszyklus mit den Studierenden durchlaufen werden kann. Auch sonst fallen in der Disziplin der Geographie immer wieder Daten an und damit verbundene Datenverarbeitungs- oder interpretationsprozesse sind darin verankert: auf Exkursionen werden Messungen oder Zählungen durchgeführt, Interviewdaten erhoben, Geodaten aufgenommen, es wird kartiert usw. Nachdem Prof. Dr. Schulz als Informatikdidaktikerin an die Fakultät kam, entstand schnell der Austausch, gemeinsame Anknüpfungspunkte und darüber dieses Projekt.
Prof. Dr. Sandra Schulz geht genauer auf den Begriff „Daten“ ein. In der Informatik ist der Umgang mit Daten, beispielsweise personenbezogenen Daten, natürlich zentral und insgesamt geht es je nach dem, mit was sich befasst wird um sehr unterschiedliche Daten. Im Lehrprojekt geht es darum, Wetterdaten mithilfe einer Messstation aufzunehmen. Dazu wurden die Studierenden befähigt einen „Calliope Mini Mikrocontroller“ zu programmieren, um eine kleine Wetterstation aufbauen zu können. Für diesen Lernprozess wurden vorab Materialen entwickelt.
Der Erwerb einer Datenkompetenz ist bei angehenden Lehrkräften nicht unbedingt ein geradliniger, sagt Schulz. Zunächst wurde in einem forschenden Anteil des Projektes mithilfe von Concept-Maps der Ausgangszustand bei den Studierenden erhoben: Welche Vorstellungen haben die Studierenden von Daten? Wie verwenden sie sie selbst im Alltag? Welche Rolle spielen Daten in der Schule? Im nächsten Schritt wurden gemeinsam weitere Themen besprochen: ein Klimareport wurde darauf untersucht, welche Daten dort verarbeitet und interpretiert wurden, Inhalte der Informatik (z.B. Microcontroller) oder auch zum Forschungsdatenmanagement wurden sich angesehen. Wichtig war den Studierenden zu vermitteln, wie man mit Daten, besonders personenbezogenen Daten, in Verbindung mit der Schule umgeht – zum Beispiel, wenn Befragungen in Schulen gemacht werden.
Während der Lehrprojektes ging es immer wieder auch um den Umgang mit Daten im Alltag, ergänzt Sprenger. Auch wenn es im Projekt primär um die schulische Nutzung von Daten ging, wurde deutlich, dass Daten im Alltag immer und überall präsent sind: zum Beispiel in Apps, wie Wetter-Apps, Gesundheits-Apps usw., in denen viele Daten erhoben und ausgeliefert werden. Hier sei natürlich Bildung notwendig, die aufzeigt, was mit den Daten passiert, wo sie herkommen und hinkommen und mit ihnen mit Blick auf die Schule umgeht, sagt Sprenger. Die Studierenden entwickelten interessante Fragestellungen wie „Wer hat Zugriff auf ein digitales Klassenbuch?“ und brachten verschiedene Perspektiven dazu ein.
Schulz erläutert, dass im Lehrprojekt auch verschiedene quantitative und qualitative Forschungsmethoden im Fokus standen und mit den Studierenden geübt wurden, damit sie ihre eigenen Daten adäquat auswerten konnten. Manche der von den Studierenden entwickelten Forschungsprojekte beschäftigten sich konkret mit der Umgebung und dem Schulleben der Schüler:innen und Lehrkräfte. So wurde beispielsweise die Luftqualität auf Schulhöfen gemessen, um anschließend Empfehlungen auszusprechen, wo Schüler:innen am besten ihre Pause verbringen sollten. In einem anderen Forschungsprojekt wurde der Schall in Schwimmhallen während des Schwimmunterrichts gemessen, um daraus Handlungsempfehlungen für den Unterricht oder z.B. bauliche Maßnahmen abzuleiten. Durch das Lehrprojekt mit den einzelnen Forschungsprojekten der Studierenden kann also insgesamt ein Mehrwert für alle Beteiligten entstehen.
Insgesamt gibt es bereits einige Ergebnisse bzw. Forschungsberichte aus den Studierendenprojekten. Ein weiteres Produkt des Lehrprojektes ist ein konzeptionelles: eine Publikation in einer Zeitschrift für Lehrkräfte (MNU – Mathematisch naturwissenschaftlicher Unterricht), die im Mai 2023 erscheint. Hierin wird der Ansatz des Lehrprojektes mit der Wetterstation eingebettet in das Konzept des Forschenden Lernens vorgestellt. Es wird ein Unterrichtsvorschlag für die Schnittstelle Informatik und Geographie und eine Handreichung mit Arbeitsblättern präsentiert. Darüber hinaus wird das gesamte Lehrmaterial des Projektes, das für Studierende und Schulen genutzt werden kann zur Verfügung gestellt. LINK zu Lehrmaterialien?
Prof. Dr. Sandra Schulz beantwortet die Frage nach ihrer persönlichen Motivation für das Projekt mit ihrem Interesse an interdisziplinärer Forschung und Arbeit. Unsere alltäglichen Probleme und Kontexte sind so komplex, dass sie aus mehr als aus nur einer Perspektive heraus betrachtet werden können, sagt Schulz. Deshalb gefällt es ihr durch integrierende Lehrprojekte, in denen mehrere Seiten zusammengebracht werden, Studierenden und Lernenden ein besseres Verständnis zu ermöglichen und Lehrmaterialien für nachhaltige Bildung zu entwickeln.
Für Prof. Dr. Sandra Sprenger gibt es zwei Gründe der Motivation. Einerseits ihre eigene fachliche Motivation, denn in der Geographie sind Datenerhebung, -visualisierung und -auswertung per se wichtig und für sie interessant. Andererseits gefällt ihr der angesprochene Alltagsbezug, aus der für sie auch eine persönliche Notwendigkeit für eine Beschäftigung mit Daten resultiert: Woher kommen welche Daten? Wo gehen sie hin? usw.
Zur Frage nach Stolpersteinen im Lehrprojekt und den einzelnen Forschungsprojekten der Studierenden führt Schulz aus, dass es hätte schwierig werden können, wenn die Studierenden in ihren Projekten mit sensiblen, personenbezogenen Daten gearbeitet hätten. Tatsächlich herausfordernd war für die beiden Lehrenden, dass die Studierenden aus vielen unterschiedlichen Fachbereichen kamen. „Ich denke, wir haben es geschafft die Studierenden abzuholen. Aber es war natürlich ein großer Aufwand entsprechend das Material so aufzubereiten, dass wir wirklich alle mitnehmen können und das jede Person auch das eigene Projekt findet, was sie auch gut umsetzen kann“, erzählt Schulz. Die Heterogenität der Studierenden war einerseits ein kleiner Stolperstein bzw. eine Herausforderung, andererseits konnten sie sich dadurch auch gegenseitig sehr bereichern und austauschen. Prof. Dr. Sprenger ergänzt, dass die Studierenden insgesamt tolle Forschungsideen hatten und eine weitere Herausforderung darin lag, die teils sehr groß und komplex gedachten Forschungsüberlegungen realistisch auf Machbarkeit zu prüfen und dann im wechselseitigen Austausch einzugrenzen und ein wenig zuzuschneiden.
Durch das Lehrprojekt sei bei den Studierenden insgesamt ein Bewusstsein für den Umgang mit Daten im Kontext Schule erzeugt worden, so Sprenger. Zwar gibt es keine empirische Evidenz, aber in den gemeinsamen Gesprächen mit den Studierenden wurde deutlich, dass sich das Bewusstsein und der explizite Umgang mit Daten verändert hat und in den Fokus gerückt ist. In der Zukunft wird es ein neues Forschungsfeld werden, diesen Prozess genauer zu beforschen und Wirksamkeitsanalysen anzustellen. In einem Post-Test zeichneten die Studierenden ihre Concept-Maps noch einmal – diese Daten werden aktuell noch ausgewertet.
Besondere Momente im Lehrprojekt lagen für die beiden Lehrenden vor allem in den Abschlusspräsentationen der Studierenden, die als Produkt am Ende der zweisemestrigen Forschungswerkstatt standen. „Es ist einfach ein unglaublicher Moment, wenn man dann sieht, wie viel Engagement da drin steckt“, beschreibt Sprenger. Auch der Blick in all die erhobenen Daten, die Lautstärke in Klassenzimmern, Luftqualität etc. war besonders spannend. Für beide Wissenschaftlerinnen war das Lehrprojekt mit einem Lernprozess gerade aus dem jeweils anderen Fach verbunden.
Grundsätzliche Empfehlungen für eine Datenkompetenz von Lehrkräften sind eher schwer zu treffen, da es immer darum geht, welche Daten wo anfallen – hier braucht es eine kontextabhängige Betrachtung. Es lässt sich sagen, dass in Bezug auf Daten zwei Aspekte wichtig sind: Es gibt die fachliche Komponente (z.B. Geodaten) und überfachliche Komponente (z.B. personenbezogene Daten im Klassenbuch).
Outro:
Dies war eine Folge vom Bildungsschnack. Jeden Monat wird hier ein Forschungsprojekt der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg vorgestellt – wenn Sie wissen wollen, zu welchen Themen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unserer Fakultät forschen, wie genau sie das eigentlich machen und welche Relevanz das für Bildung und Gesellschaft hat, dann abonnieren Sie uns bei Spotify oder iTunes oder besuchen uns auf der Seite des Bildungsschnacks.
Danke für’s Zuhören, Tschüss und bis zum nächsten Mal!