Februar: Wie verbinden wir uns?Forschung zu Resonanzerfahrungen in der Erwachsenenbildung
25. Februar 2021, von Bente Gießelmann
Foto: privat
Die Erfahrung, mit der Welt und anderen Personen „verbunden“ zu sein, kennen wir alle. Die Resonanzforschung untersucht, wie und wann dieses Gefühl entsteht, und wie Menschen für sich resonante Beziehungen herstellen – auch in der Lehre. Dr. Jana Wienberg und Dr. Alina Redmer erforschen, wie Trainer*innen im Feld der Erwachsenenbildung diese Resonanz erleben. Im Gespräch berichten sie, wozu der Blick auf Resonanz eigentlich hilft und wie sie auch als Forscherinnen Resonanz erleben.
Sie erforschen „Resonanz“, das klingt zunächst einmal sehr physikalisch. Was ist damit gemeint?
Jana Wienberg: Genau, ursprünglich kommt der Begriff aus der Physik. Es gibt aber auch eine soziologische Resonanzforschung, und da ist mit Resonanz mehr als nur ein „Echo“ oder eine Schwingung gemeint. Resonanz stellt eine Form der Weltbeziehung dar, in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und gegebenenfalls sogar verändern. Resonanz ist daher keine bloße Echobeziehung, sondern eine Antwortbeziehung. Das heißt auch, Resonanz ist eigentlich kein „Gefühl“, sondern vielmehr ein Beziehungsmodus zwischen Subjekt und Welt. Wir erleben das beispielsweise, wenn wir in Beziehung treten mit anderen Menschen, unsere Lieblingsmusik hören oder einem Hobby nachgehen und dadurch quasi „berührt“ werden.
Insbesondere in der aktuellen Corona-Situation, in der viele Menschen gezwungen sind, von zu Hause zu arbeiten und das soziale Miteinander im Alltag mitunter auf der Strecke bleibt, besteht die Gefahr, dass Resonanz, also die unmittelbare Antwortbeziehung, ausbleibt oder nur in geminderter „distanzierter“ Form erlebt wird.
Das gilt auch für die Lehre bzw. das Lernen. Ihr Forschungsfokus liegt auf der Erwachsenenbildung und der Resonanz, die Trainer*innen in der Arbeit herstellen. Was bedeutet das konkret?
Alina Redmer: Trainer*innen in der Erwachsenenbildung stellen auf ganz vielfältige Weise Resonanz im Kursgeschehen her. Zum Beispiel spielt für Trainer*innen die Interaktion mit den Kursteilnehmenden eine wichtige Rolle, um Resonanz zu erzeugen. Durch die aktuelle Corona-Situation leidet aber insbesondere das Zwischenmenschliche im Kursgeschehen, vor allem, wenn bei Onlineseminaren die Kameras ausgeschaltet bleiben und Trainer*innen nur „in schwarze Blöcke reden“. Eine Trainerin beschrieb im Interview mit uns ihren Umgang damit: Auch, wenn Kurse digital stattfinden, möchte sie ihren Lernenden das Gefühl geben, eine menschliche Ansprechperson zu sein. In ihren Augen findet Lernen dann statt, wenn Lernende sich begleitet fühlen. Das versucht sie auch virtuell zu erzeugen, indem sie zu Fragen motiviert, Rückmeldungen einfordert oder die Herausforderung der virtuellen Kommunikation mit den Teilnehmenden thematisiert.
Zum anderen macht Digitalisierung weltweite Vernetzung und Informationsbeschaffung möglich. Auch hier entwickeln Trainer*innen neue Umgangsweisen, wie die Routine einer anderen Trainerin zeigt: Durch nicht mehr vorhandene Standardarbeitszeit „floatet“ sie viel mehr als früher in Inhalte. Wenn sie etwas interessiert oder sie etwas Spannendes entdeckt, dann geht sie ins Netz und googelt eben danach oder verfolgt Inhalte auf Facebook dazu. Ihre Antwort auf Beschleunigung und Digitalisierung ist, sich von der Flexibilität treiben zu lassen und das Netz für spontane Recherchen zu nutzen.
Digitalisierung und Beschleunigung fielen schon als Stichworte. Wie gestaltet sich das Lehren und Lernen innerhalb der Erwachsenenbildung derzeit? Was sind die Herausforderungen?
Jana Wienberg: Die institutionalisierte Erwachsenenbildung ist wie auch andere Einrichtungen gezwungen, ‚Social Distancing‘ mit einem eingeschränkten Präsenzbetrieb zu praktizieren, digitale und digital unterstützende Lern- und Bildungsangebote anzubieten sowie organisatorische Formen und Praktiken in einem „Sprint“ digital umzustellen. Das heißt, die Erwachsenenbildung reagiert mit neuen Formaten auf die aktuellen Herausforderungen, zum Beispiel Angebote zu E-Learning oder Zeitmanagement. Gleichzeitig treibt sie dadurch auch die Beschleunigung im eigenen Feld voran.
Resonanz kann man nicht unbedingt beobachten. Wie erforschen Sie die „Resonanzstrategien“ von Trainer*innen?
Jana Wienberg: Bei diesem Thema sind Interviews die zentrale Forschungsmethode. In meiner Habilitation bin ich der Frage nachgegangen, wie Kurs-Teilnehmende im Feld der Erwachsenenbildung Resonanz erfahren und herstellen.. Aus den Interviews habe ich ein Modell gebildet, welches wir Relationale Resonanzstrategien (RRS) nennen. Diese RRS beschreiben die jeweiligen Handlungsweisen einer Person in einer spezifischen Situation, die dazu beitragen, individuelles Resonanzerleben zu ermöglichen. Ich habe mir dabei insbesondere Strategien zum Umgang mit Digitalisierung und Beschleunigung sowie mit Leiblichkeit, also dem ganzheitlichen Verständnis von Körper und Geist, genauer angeschaut.
Im Zuge der Voruntersuchung wurde sehr deutlich: Die erlebte Resonanz nicht nur aus Teilnehmenden-Sicht, sondern auch aus Trainer*innen-Sicht relativ unerforscht. Theoretische und empirische Untersuchungen gibt es bislang ausschließlich im schulischen Kontext. Hieran knüpft unser aktuelles DFG-Forschungsprojekt an: Wir untersuchen ganz konkret, wie sich erlebte Momente von Resonanz in der Erwachsenenbildung aus Sicht von Trainer*innen darstellen – und wie diese unter verschiedenen Bedingungen individuell damit umgehen. Dazu haben wir leitfadengestützte Online-Interviews mit Trainer*innen durchgeführt.
Welche Umgangsweisen finden Sie besonders interessant?
Alina Redmer: Besonders interessant waren für uns die neuen Handlungsweisen im Umgang mit Beschleunigung, die sich auf die Didaktik und Lehre bezogen haben. Wir konnten deutliche Veränderungsmuster feststellen, die sich vor allem durch die Umstellung auf Onlineformate ergeben haben. Dabei ist der Austausch unter Kolleg*innen offenbar besonders wichtig, um Unsicherheiten entgegenzuwirken, aber auch um vom bestehenden Erfahrungsschatz anderer zu profitieren. Zudem haben viele vorher kaum online gearbeitet und waren dem gegenüber sehr skeptisch. In der zum Teil gezwungenermaßen veränderten Arbeitsweise haben Trainer*innen jedoch auch viele positive Aspekte gefunden und einige waren überrascht, wie gut sich digitales Arbeiten umsetzen lässt.
Für uns war auch sehr spannend, dass Trainer*innen aus verschiedensten Altersgruppen für ihre eigene Weiterbildung auf digitale Angebote zurückgreifen. Neben Online-Seminaren und Stammtischen nutzen sie auch Social-Media-Portale wie Instagram oder Facebook, um immer auf dem neusten Stand zu sein, egal wann und wo sie sich gerade befinden.
Besonders interessant war zudem, dass die Trainer*innen ganz unterschiedlich mit einer bewussten Entschleunigung auf die steigende Digitalisierung reagieren. So nehmen sich einige bewusst Zeit für sich und sind komplett „offline“, während andere noch im Bett nach neuen Inputs auf Instagram suchen.
Inwiefern ist Ihre Forschung für die Praxis konkret hilfreich?
Jana Wienberg: Unsere Ergebnisse sind in mehrfacher Hinsicht relevant. Die Distanz auf der körperlichen Ebene hat nun eine noch größere Bedeutung erhalten – sowohl in digitalen als auch analogen Umwelten. Lehr-Lern-Kontexte verändern sich durch Beschleunigung und Digitalisierung. Das Konzept der Resonanz bietet einen Rahmen, der helfen kann, Umgangsweisen und Subjekt-Umwelt-Beziehungen nachvollziehbar zu gestalten und zu systematisieren.
Unsere Forschung kann dementsprechend Orientierung für die Praxis der Erwachsenenbildung schaffen, Reflexion anstoßen und letztendlich auch zu einer Professionalisierung im Berufsfeld beitragen. Der Blick auf Resonanz hilft, die eigene Einbettung im Arbeitskontext zu verstehen, Identifizierung zu schaffen, Veränderungen bewusst mitzugestalten und einer Entfremdung entgegenzuwirken. Dennoch schreiben wir kein „Handbuch Resonanz“, sondern können aus der Forschung nur Impulse zum Weiterdenken geben.
Inwiefern haben Sie selbst innerhalb der Forschung Distanz und Resonanz erlebt, und welche Strategie haben Sie selbst angewendet?
Alina Redmer: Distanzerfahrungen sind zur Zeit der Erhebung ganz besonders prägnant gewesen. Einstündige Interviews mit fremden Personen via Zoom zu führen, stellte uns vor erhebliche Herausforderungen. Neben der Frage von Datenschutz und Anonymisierung beschäftigte uns vor allem die Schwierigkeit, das Interview für Transkriptionszwecke aufzunehmen. Während normalerweise ein einfaches Diktiergerät zur sprachlichen Aufnahme der Interviews reicht, brauchten wir hier eine Lösung, die eine gute Aufnahme der Tonqualität ermöglicht und gleichzeitig nicht das Video aufzeichnet. Besonders resonant war natürlich auch der Interviewinhalt an sich zu einer Zeit, die vieles verändert hat. Die Interviewpartner*innen schienen dankbar und aufgeschlossen dafür zu sein, ihre aktuelle berufliche Situation, Erfahrungen, Schwierigkeiten, aber auch Ängste zu teilen und mit uns in den Austausch – oder eben in Resonanz – zu treten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Projektleitung: Dr. Jana Wienberg (Antragstellerin und Projektverantwortliche)
Projektmitarbeiterin: Dr. Alina Redmer (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Studentische Mitarbeiterin: Jeska Beißner (Mitarbeit bei der Datenaufbereitung und -auswertung)
Mehr Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.