Ursula Randt
Lebenslauf
25.05.1929 | In Hamburg geboren |
1935-1939 | Schülerin an der Volksschule Vossberg, Hamburg |
1939 | Emigration des Vaters |
1939-1940 | Freistellung vom Schulbesuch aus gesundheitlichen Gründen |
1940-1944 | Schülerin an der Heilwig Oberschule für Mädchen, Hamburg |
1944 | Ausschluss vom Unterricht |
1945 | Rückkehr an die Heilwig Oberschule nach Kriegsende |
1949 | Abitur |
1950-1952 | Lehramtsstudium an der Universität Hamburg |
1953 |
Erstes Staatsexamen, Referendarin an der Schule am Vossberg,
Heirat
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1954 |
Geburt des ersten Sohnes
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1957 |
Zweites Staatsexamen
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1958 |
Verbeamtung
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1960-1969 |
Familienzeit
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1969 | Studium an der Universität Hamburg, Lehramt an Sonder- schulen, Hörgeschädigtenpädagogik, Sprachheilpädagogik, anschließend Arbeit als Sprachheilpädagogin |
1977 | Ein Gespräch mit einer ehemaligen Schülerin der Schule in der Carolinenstraße 35 wird zum Auslöser für Ursula Randts Forschung zur jüdischen Schulgeschichte |
1989 | Der Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg verleiht Ursula Randt die Ehrendoktorwürde |
1994 | Eintritt in den Ruhestand |
2007 | Der Verein für Hamburgische Geschichte verleiht Ursula Randt die Lappenberg Medaille |
20.05.2007 | Ursula Randt stirbt nach langjähriger Krankheit in Hamburg |
Biographie
Ursula Randt wurde am 25.05. 1929 als Ursula Klebe in Hamburg geboren. Von 1935 bis 1939 war sie Schülerin in der Volksschule Vossberg.
1939 emigrierte ihr Vater, der Dermatologe Dr. Egon Klebe, in die USA. Seine Familie muss- te er aus finanziellen Gründen in Deutschland zurücklassen. Die zehnjährige Ursula wurde 1939 für ein Jahr aus gesundheitlichen Gründen vom Unterricht befreit. Von 1940 an besuch- te sie die Heilwig Oberschule für Mädchen. Diese musste sie 1944 verlassen. Nach Kriegsen- de kehrte sie in die Schule zurück und machte im Februar 1949 ihr Abitur.
Von 1950 bis 1952 studierte Ursula Klebe Pädagogik an der Universität Hamburg. 1953 ab- solvierte sie das erste Staatsexamen und begann ihre Tätigkeit als Referendarin (damals „Hilfslehrerin“) an der Schule Vossberg, die sie als Kind selbst besucht hatte. Im selben Jahr heiratete sie und bekam 1954 ihren ersten Sohn. Im Dezember 1957 bestand sie ihr zweites Staatsexamen und wurde im März 1958 verbeamtet. Im Frühjahr 1960 schied sie aus dem Beruf aus, um sich ihrer Familie zu widmen. 1963 wurde ihr zweiter Sohn geboren.
Ende der 1960er Jahre wollte Ursula Randt wieder in den Beruf einsteigen. Die Stadt Ham- burg suchte damals dringend Logopäden und unterstützte Studierende der entsprechenden Studiengänge. Nach einem viersemestrigen Studium an der Universität Hamburg bestand ab- solvierte sie 1971 die Prüfung für das Lehramt an Sonderschulen in den Fachrichtungen Hör- geschädigtenpädagogik und Sprachheilpädagogik.
Im November 1977 wurde sie bei einem Schulfest in der Schule Carolinenstraße durch eine ehemalige Schülerin darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier um eine ehemals jüdische Mädchenschule handelte. Die Trauer der Gesprächspertnerin darüber, dass auf die Vergan- genheit der Schule nirgends hingewiesen wurde, wurde zum Ausgangspunkt für Ursula Randts Forschungsarbeiten zu jüdischen Schulen in Hamburg.
1984 wurde ihr erstes Buch Carolinenstraße 35 vom Verein für Hamburgische Geschichte veröffentlicht. Im Mai 1989 eröffnete die Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchter- schule“ mit der Ausstellung Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel im Gebäude Carolinenstr. 35.
1989 verlieh der Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg Ursula Randt die Ehrendoktorwürde.
Mitte 1994 wurde sie pensioniert. Auch danach arbeitete sie weiter und setzte auch ihre histo- rischen Forschungen fort.
Am 10. Mai 2007 verlieh ihr der Verein für Hamburgische Geschichte die Lappenberg- Medaille.
Am 20. Mai 2007 starb Dr. h.c. Ursula Randt nach langer Krankheit.
Publikationen
Die Talmud Tora Schule in Hamburg 1805 bis 1942
München/ Hamburg: Dölling und Galitz 2005. Rezension in Erziehungswissenschaftliche Revue 6 (2007), Nr. 5
Publikationen 1983 - 2007
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1983: Das Ende der jüdischen Schule in Hamburg. Talmud Tora Schule. In: Hamburger Lehrerzeitung. 36, 5. S. 40-42. 6/7. S. 24-26.
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1984: Carolinenstrasse 35. Geschichte der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg 1884-1942. Hamburg: Verein für Hamburgische Geschichte.
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1985: Karl Bröer. Er hatte den Mut, er selbst zu bleiben. In: Hochmuth, Ursel / de Lorent, HansPeter (Hrsg.): Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz. Beiträge der Hamburger Lehrerzeitung (Organ der GEW) und der Landesgeschichtskommission der VVN/ Bund der Antifaschisten. Hamburg: Verl. Erziehung und Wissenschaft. S. 195-196. Erneut 2007: Karl Bröer. Er hatte den Mut, er selbst zu bleiben. In: 100 Jahre Heinrich Herz-Schule 1907-2007. Festschrift zum Jubiläum. Hamburg. S. 24-25.
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1985: Talmud Tora Schule: Die Zerschlagung des jüdischen Schulwesens. In: Hochmuth, Ursel/ de Lorent, Hans-Peter (Hrsg.): Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz. Beiträge der Hamburger Lehrerzeitung (Organ der GEW) und der Landesgeschichtskommission der VVN/ Bund der Antifaschisten. Hamburg: Verl. Erziehung und Wissenschaft. S. 60-67. Erneut 1991: Die Zerschlagung des jüdischen Schulwesens. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.): Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel. Hamburg: VSA. S. 120-130. Erneut 2006: Die Zerschlagung des jüdischen Schulwesens. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.) 2006: Eine verschwundene Welt: jüdisches Leben am Grindel. Vollst. überarb. u. erw. Neuausg. Springe: zu Klampen. S. 206-218.
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1985: Theodor Tuch: An meine Tochter. Aufzeichnungen eines Hamburger Juden 1941/42. In: Bulletin des Leo Beck Instituts. 70. S. 2-32.
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1986: „Vergeßt uns nicht“. Hildegard Cohen, Lehrerin und letzte Leiterin des Mädchen- Waisenhauses „Paulinenstift“. In: Lehberger, Reiner/ de Lorent, Hans-Peter (Hrsg.): „Die Fahne hoch“. Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz. Hamburg: Ergebnisse-Verlag. S. 325-328.
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1986: „Träume zerschellen an der Wirklichkeit“. Die Situation jüdischer Schüler an jüdischen Schulen in Hamburg in der Frühphase der NS-Zeit. In: Lehberger, Reiner/ de Lorent, Hans- Peter (Hrsg.): „Die Fahne hoch“. Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz. Hamburg: Ergebnisse-Verlag. S. 291-300.
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1986: Einzelschicksale jüdischer Schüler. In: Lehberger, Reiner/ de Lorent, Hans-Peter (Hrsg.): „Die Fahne hoch“. Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz. Hamburg: Ergebnisse-Verlag. S. 317-319.
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1986: Die Erinnerungen der Emma Isler. Sonderdruck aus: Bulletin des Leo Boeck Instituts. 75, 1986. S. 56-99.
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1986: Bis zuletzt voller Hoffnung: Jeanette Baer. In: Hamburger Lehrerzeitung. 39, 1. S. 43-45.
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1988: mit Lehberger, Reiner/ Pritzlaff, Christiane: Entrechtet, vertrieben, ermordet, vergessen: jüdische Schüler und Lehrer in Hamburg unterm Hakenkreuz. Hamburg: Behörde für Schule u. Berufsbildung. Amt für Schule (2. Aufl. 1991).
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1991: Jüdische Schulen am Grindel. In: Warmser, Ursula/Weinke, Wilfried (Hrsg.): Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel. Hamburg: VSA. S. 36-55. Erneut 2005: Jüdische Schulen am Grindel. Die Einweihung des Neubaus der Talmud- Tora-Realschule. haGalil.com. http://www.hagalil.com/deutschland/nord/grindel.htm [Zugriff: 20.08.2020].
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1991: Die jüdischen Waisenhäuser in Hamburg. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.): Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel. Hamburg: VSA. S. 56-63.
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1991: Zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Hamburg (ca. 1780-1942). In: Herzig, Arno (Hrsg.): Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. Wissenschaftliche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung „Vierhundert Jahre Juden in Hamburg“. Hamburg: Dölling und Galitz. S. 113-129.
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1991: Zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Hamburg (ca. 1780-1942). In: Herzig, Arno/ Rohde, Saskia (Hrsg.): Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. 2. Hamburg: Dölling und Galitz. S. 113-129. Erneut 2005: Zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Hamburg (ca. 1780 – 1942). In: Lorenz, Ina (Hrsg.): Zerstörte Geschichte. Vierhundert Jahre jüdisches Leben im Hamburg. Hamburg: Landeszentrale für politische Bildung. S. 76-106.
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1992: mit Israel, Marga: Es war wunderschön, alles patriotisch. Aufsätze einer Schülerin der „Israelischen höheren Mädchenschule“ aus dem Kriegsjahr 1915. In: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter. 12, 8/9. S. 195-200.
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1995: Die Talmud-Tora-Schule in Hamburg. In: Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.): „Den Himmel zu pflanzen und die Erde zu gründen.“ Jüdisches Leben, Erziehung und Wissenschaft. Die Joseph-Carlebach-Konferenzen. Hamburg: Dölling und Galitz. S. 166-176. Erneut 1996: Die Talmud-Tora-Schule in Hamburg. Bildungseinrichtung und Stätte sozialer Fürsorge. In: Eller-Rüttgardt, Sieglind (Hrsg.): Verloren und Un-Vergessen: jüdische Heilpädagogik in Deutschland. Weinheim: Dt. Studien-Verlag S. 139-157.
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1995: Zur Entwicklung des jüdischen Mädchenschulwesens in Hamburg. In: Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.): „Den Himmel zu pflanzen und die Erde zu gründen“. Jüdisches Leben, Erziehung und Wissenschaft. Die Joseph-Carlebach-Konferenzen. Hamburg: Dölling und Galitz. S. 190-196.
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1997: Die Wiederentdeckung der ehemaligen jüdischen Schulen in Hamburg. Vom Vergessen zum tätigen Erinnern. In: EWI-Report. 15. 1997. S. 36-39.
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1998: mit Lehberger, Reiner: Die Reichspogromnacht: ihre Folgen für jüdische Schülerinnen und Schüler aus der Sicht von Zeitzeugen. In: Pädagogik Jg. 50, H. 10, S. 38-42.
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1998: Begegnungen mit Frieda Salzberg. In: Kaufmann, Gerhard (Hrsg.): Schatten. Jüdische Kultur in Altona und Hamburg. Hamburg: Dölling & Galitz. S. 97-98.
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1999: mit Lehberger, Reiner: Aus Kindern werden Briefe: Dokumente zum Schicksal jüdischer Kinder und Jugendlicher in der NS-Zeit. Hamburg: Amt für Schule.
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2000: Wilhelm Mosel 1937 – 1999. Ein Nachruf. In: Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte. 38. Kiel: AKENS. S. 94-95.
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2000: Wilhelm Mosel 1937-1999. An obituary for Wilhelm Mosel who tirelessly committed himself to keeping alive the memory of the Hamburg Jewish victims of the Holocaust. Engl./ dt. Universität Hamburg.
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2005: Die Talmud-Tora-Schule in Hamburg. 1895 bis 1942. München/ Hamburg: Dölling und Galitz.
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2005: Die Cläre Lehmann-Schule. In: Maajan. 19, 76. Zürich: SVJG. S. 2631-2633.
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2006: Aus Hamburg vertrieben. Dr. Egon Klebe, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. In: Maajan. Zürich: SVJG. 20, 81. S. 2871-2873.
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2006: „Aber ich hoffe immer und immer noch“. Jeanette Baer (1903 – 1944). Das Schicksal einer jüdischen Lehrerin. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.) 2006: Eine verschwundene Welt: jüdisches Leben am Grindel. Vollst. überarb. u. erw. Neuausg. Springe: zu Klampen. S. 225-227.
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2006: Die jüdischen Waisenhäuser. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.) 2006: Eine verschwundene Welt: jüdisches Leben am Grindel. Vollst. überarb. u. erw. Neuausg. Springe: zu Klampen. S. 103-110.
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2006: Jüdische Schulen am Grindel. In: Warmser, Ursula/ Weinke, Wilfried (Hrsg.) 2006: Eine verschwundene Welt: jüdisches Leben am Grindel. Vollst. überarb. u. erw. Neuausg. Springe: zu Klampen. S. 76-96.
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2007: Als Lehrerin an einer Mädchenschule. In: 100 Jahre Heinrich-Herz-Schule 1907-2007. Festschrift zum Jubiläum. Hamburg. S. 29-31.
Über Ursula Randt
1989 |
Grolle, Joist: „Ihnen hätte ich meine Kinder anvertraut.“ Aus der Laudatio zur Ehrenpromotion von Ursula Randt am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. In: Hamburger Lehrerzeitung. 42, 4-5. S. 57-59. |
2007 |
Hamburger Abendblatt: Trauer. Ursula Randt gestorben. In: Hamburger Abendblatt. 23.05.2007. Pritzlaff, Christiane: Nachruf. Ursula Randt zum Gedenken. In: Hamburger Lehrerzeitung. 6-7. S. 52. |
Nachruf
Dr. h.c. Ursula Randt (25. Mai 1929 – 20. Mai 2007)
Ein Nachruf
 
Der Universität Hamburg war die Sprachheillehrerin und Historikerin Ursula Randt über lange Jahre eng verbunden – als Lehrbeauftragte, als Mitglied in der Forschungsstelle Hamburger Schulgeschichte, als Co-Autorin zahlreicher Publikationen und Ausstellungen. Im April 1989 erhielt sie vom Fachbereich Erziehungswissenschaft die Ehrendoktorwürde in Anerkenntnis dreier herausragender Tätigkeiten:
- der wissenschaftlichen Aufarbeitung der jüdischen Schulgeschichte – ihre Monographie zur „Israelitischen Töchterschule“ in der Carolinenstraße 35 war 1984 erschienen,
- der Sammlung umfangreichen Archivmaterials wie Briefen, Dokumenten und Fotos
- und ihrer Vermittlungsarbeit durch Vorträge zur jüdischen Bildung und Kultur in Hamburg.
Mit der Aufarbeitung der jüdischen Schulgeschichte hatte sie sich einem Thema zugewandt, das bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts sträflich missachtet worden war. Selbst für die Talmud-Tora-Schule, die in unmittelbarer Nähe des universitären Pädagogischen Instituts lag und von diesem nach 1945 sogar als Seminarort genutzt worden war, hatten die Professoren der Universität weder in ihren Veranstaltungen noch in ihren Veröffentlichungen Interesse gezeigt. Zeitzeugen, die nach dem Kriegsende dort studiert hatten, berichteten, man hätte ihnen nicht einmal erzählt, dass diese Schule bis 1942 eine jüdische Erziehungseinrichtung gewesen war.
Durch die Forschungen von Ursula Randt und die von ihr inspirierten weiteren Arbeiten ist dieser Zustand gründlich verändert worden. Die ehemaligen jüdischen Schuleinrichtungen, die „Israelitische Töchterschule“ (1889-1892) und die Talmud-Tora- Schule (1802-1942) die sich von einer Religionsschule zu einer Oberrealschule entwickelt hatte, sind mit ihrer Geschichte in der Öffentlichkeit bekannt geworden, im Gebäude
Karolinenstraße 35 wurde sogar eine Gedenk- und Bildungsstätte eingerichtet. Im Nachhinein muss man vielleicht sogar froh sein, dass das Thema „Jüdisches Schul- und Erziehungswesen“ so lange auf seine Erforschung hat warten müssen, dass es Ursula Randt war, die sich ihm gewidmet hat. Denn keiner verstand es wie sie, die Geschichte solcher Institutionen dem Leser nahezubringen. Dabei hat sie keine soziologisch oder rein strukturgeschichtlich orientierten Studien vorgelegt, sie hat die Institutionen durch die Geschichte der mit ihnen verbundenen Menschen zum Sprechen gebracht – sie hat die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes „mit Leben gefüllt“. Dies ging nur, weil Ursula Randt an diesen an den Schulen tätigen Menschen wirklich interessiert war, weil sie sie nicht – wie bei universitären Historikern oft üblich – zu Objekten der Forschung oder gar zu Archivmaterial herabstufte. Ohne Übertreibung darf man sagen: Viele dieser Menschen erhielten durch Ursula Randt ihre Stimme zurück.
Diese Kunst der Darstellung und ihr persönliches gewinnendes Auftreten haben dazu geführt, dass viele der Überlebenden des Holocaust ihr Materialien anvertraut haben, die sie über Jahrzehnte hinweg sorgsam gehütet hatten. Unzählige Briefe und Fotos füllten ihre Wohnung, vor Jahren schon hat sie das meiste Material an die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt weitergegeben und der zukünftigen Forschung damit eine tragfähige Basis für weitere Untersuchungen geboten. Allerdings – da bin ich sicher: So wie Ursula Randt diese Dokumente ausgewertet hätte, wird es keiner nach ihr mehr bewerkstelligen können.
Forschen und Schreiben ist das eine, wirksam werden ist das andere. Vieles, was an unseren Universitäten geschrieben wird, bleibt einem kleinen Leserkreis vorbehalten oder versinkt sogar im „Meer des Ungelesenen“. Wie man Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit trägt, auch davon konnte die universitäre Zunft von Ursula Randt nur lernen. Ich hatte das große Glück, mit ihr und Christiane Pritzlaff zahlreiche Vortragsveranstaltungen an Hamburger Schulen und diversen Bildungseinrichtungen durchführen zu dürfen und kann daher eines versichern: Ursula Randt zog nicht nur Erwachsene, sondern auch die Schülerschaft schon mit ihren ersten Sätzen fest in ihren Bann. So wie sie schrieb, konnte sie auch sprechen – bildhaft, einfühlsam und andere bewegend, unterstützt durch eine Stimme, der man gerne auch über eine längere Zeitspanne hinweg zuhören mochte. Durch all dies fand sie hohe Anerkennung nicht nur bei den Mitgliedern der Universität, sondern in der Stadt insgesamt. Ohne Ursula Randt wäre ein Projekt wie die „Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule“ in der Karolinenstraße 35 schlichtweg undenkbar gewesen.
Lassen Sie mich noch einmal an meinen Ausgangspunkt zurückkehren: Als die Universität 1989 Ursula Randt die Ehrendoktorwürde verlieh, stand sie eigentlich – post festum betrachtet – erst am Anfang ihrer Forschungsarbeit. Danach sind zahlreiche weitere Arbeiten, nicht zuletzt das ihr so wichtige Buch über die Talmud-Tora-Schule, entstanden. Durch Ursula Randts Arbeit ist der Forschungsstand zum jüdischen Schul- und Erziehungswesen hier in Hamburg auf einem Niveau, das keine andere Stadt und keine andere Region in diesem Land so aufweisen kann.
So gesehen hat zwar die Universität Ursula Randt für würdig befunden, die Ehrendoktorwürde zu führen, eigentlich aber hätte sie sich bei ihr bedanken müssen. Sie hätte sich bedanken müssen für die geleistete Arbeit, die genuin die Arbeit der Fachbereiche Erziehungswissenschaft und Geschichte hätte sein sollen, und sie hätte sich bedanken müssen für den Glanz, den Ursula Randt als Mitglied der Universität auch über diese Institution gebracht hat.
Reiner Lehberger