Junior-Professur für Berufspädagogik besetzt„Wie kann ich Lehrkräfte dabei unterstützen, guten Unterricht zu geben und gesund zu bleiben?“Dr. Kira Elena Weber im Gespräch
4. Oktober 2023
Foto: privat
Dr. Kira Elena Weber ist vom IPN (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel) nach Hamburg gekommen und wird eine Junior-Professur mit Tenure Track für “Erziehungswissenschaft, insbesondere Berufspädagogik“ antreten.
Ihr Weg als Wissenschaftlerin in fünf Sätzen?
Ich habe an der Leuphana Universität Lüneburg Berufsschullehramt studiert mit der Fachrichtung Sozialpädagogik und dem Unterrichtsfach Sport. Bereits im Studium hat mich das wissenschaftliche Arbeiten begeistert und daher bin ich nach einem Jahr Berufserfahrung u.a. als Erlebnispädagogik-Trainerin und Mitarbeiterin an einer Förderschule zurück an die Leuphana Universität Lüneburg. Dort habe ich im Bereich der differentiellen Psychologie und psychologischen Diagnostik promoviert und anschließend in der Abteilung für Schulpädagogik und Schulentwicklung als Post Doc gearbeitet und das Projekt V-Reflect mit ins Leben gerufen. Anfang 2021 hat es mich dann ans IPN nach Kiel verschlagen, wo ich in dem Forschungsverbund „Schule macht stark – SchuMaS“ unter anderem Fortbildungen zum Thema „Gesundheit von Lehrkräften“ konzipiert, durchgeführt und evaluiert habe.
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, an die Uni Hamburg zu kommen?
Die Uni Hamburg ist sowohl beruflich als auch privat eine besondere Uni für mich. Beruflich, weil sich an der Fakultät für Erziehungswissenschaft viele inspirierende Menschen und Forschungsprojekte befinden, die ich seit Jahren mit großem Interesse verfolge. Privat, weil ich in Hamburg direkt in der Nähe der Uni aufgewachsen bin und sowohl mein Großvater als auch meine Eltern dort Lehramt studiert haben. Der Ruf an die Uni Hamburg fühlt sich daher für mich wie ein Stück „nach Hause kommen“ an.
An welchen Forschungsthemen arbeiten Sie derzeit?
Meine Forschungsinteressen sind sehr vielfältig, da ich mich sowohl mit psychologischen Fragestellungen und Konstrukten beschäftige als auch mit Fragestellungen aus der Unterrichtsforschung und der Schulpädagogik. Die drei Forschungsthemen, an denen ich vorrangig arbeite, sind folgende:
Videobasierte Professionalisierung von Lehramtsstudierenden
In den letzten sieben Jahren habe ich mich aus verschiedenen Perspektiven damit beschäftigt, welchen Beitrag eigene und fremde Unterrichtsvideos für die Professionalisierung von Lehrkräften leisten können. So haben wir beispielsweise in dem Projekt V-Reflect festgestellt, dass Lehramtsstudierende insbesondere von Expert:innenfeedback profitieren und durch ein videobasiertes Expert:innenfeedback nicht nur ihre professionelle Wahrnehmung, sondern auch ihre Selbstwirksamkeit und ihre eigene Feedbackkompetenz verbessern. An der Uni Hamburg möchte ich diesen Forschungsschwerpunkt weiterverfolgen – vor allem mit Blick auf Studierende des Berufsschullehramts, die bisher noch wenig Beachtung finden. Zudem gibt es an der Uni Hamburg hinsichtlich dieses Forschungsschwerpunkts vielfältige Kooperationsmöglichkeiten.
Videobasierte Analyse spezifischer Lehr-Lern-Prozesse
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von mir ist die Analyse von eigenen Unterrichtsvideos, mit dem Ziel die professionelle Entwicklung von Lehramtsstudierenden sowie spezifische Lehr-Lern-Situationen sichtbar zu machen. So habe ich beispielsweise an der Leuphana Universität Lüneburg gemeinsam mit Kolleg:innen aus dem Institut für Bewegung, Sport und Gesundheit Lehramtsstudierende während des Langzeitpraktikums gefilmt und diese Videos mithilfe des Classroom Assessment Scoring Systems (CLASS) ausgewertet. In einem aktuellen Projekt verwenden wir sogenannte Microteachings um herauszufinden, ob sich Feedback, welches unter Verwendung von künstlicher Intelligenz gegeben wird, positiv auf die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenzen auswirkt.
Gesundheit von (angehenden) Lehrkräften
Im Rahmen meiner Arbeit in dem Forschungsprojekt Schule macht stark (SchuMaS) habe ich mich intensiv mit dem Thema Gesundheit und berufliches Wohlbefinden von Lehrkräften auseinandergesetzt und hierzu Fortbildungen für Lehrkräfte an Schulen in herausfordernden Lagen angeboten. Unter anderem bedingt durch die COVID-Pandemie und den aktuellen Lehrkräftemangel ist dieses Thema aktueller denn je. Empirische Befunde zeigen, dass schon in den frühen Phasen der Lehrkräfteausbildung ein hohes Maß an Belastungen empfunden wird und Schwierigkeiten in der effektiven Bewältigung von Belastungen bestehen. Daher ist es wichtig, dass Lehrkräfte bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung im Umgang mit beruflichen Belastungen und beim Erwerb gesundheitsförderlicher Strategien unterstützt und gefördert werden. Ich möchte mit meiner Forschung sicherstellen, dass Lehrkräfte gesund und engagiert in diesen anspruchsvollen Beruf starten.
Wie erklären Sie Ihre Forschung ganz einfach verständlich?
Ich beschäftige mich in meiner Arbeit damit, was eine gute Lehrkraft ist und wie jemand eine gute Lehrkraft wird. Folgende Forschungsfragen versuche ich dabei zu beantworten:
- Was benötigen Menschen, um eine gute und gesunde Lehrkraft zu werden?
- Wie kann ich Studierende dabei unterstützen, eine gute Lehrkraft zu werden?
- Wie kann ich Lehrkräfte dabei unterstützen, guten Unterricht zu geben und gesund zu bleiben?
Zu welchen aktuellen gesellschaftlichen Themen oder Herausforderungen möchten Sie Ihre wissenschaftliche Expertise beitragen (und wie)?
Relevante Themen im Hochschulbereich sind unter anderem die Digitalisierung und der Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI). Hier möchte ich unter anderem beforschen, wie wir KI an der Hochschule gezielt einsetzen können, um professionelle Kompetenzen von Lehramtsstudierenden zu fördern. Zudem ist das Thema Gesundheit von Lehrkräften hochaktuell. In einer Studie, die ich gemeinsam mit einer Kollegin Ende 2020 durchgeführt habe, haben wir festgestellt, dass bereits im Vorbereitungsdienst ca. 40 % der Referendar:innen Burnout gefährdet sind. Hier möchte ich bereits im Studium ansetzen und Lehramtsstudierende gezielt auf den Umgang mit beruflichen Stressoren vorbereiten.
Was erwarten Sie von den Studierenden und von sich selbst innerhalb der Lehre?
Sowohl von mir selbst als auch von den Studierenden erwarte ich einen wertschätzenden Umgang miteinander und einen offenen Austausch auf Augenhöhe. Da ich mich auch in meiner Forschung intensiv mit dem Thema Feedback beschäftigt habe, möchte ich gemeinsam mit den Studierenden eine konstruktive Feedbackkultur etablieren. Ich freue mich zudem über Motivation, Neugier und Engagement und möchte mich und meine Lehre kontinuierlich und mithilfe des Feedbacks der Studierenden weiterentwickeln.
Die drei Basisdimensionen guten Unterrichts gelten auch für die Hochschullehre und entsprechend versuche ich meine Veranstaltungen strukturiert, kognitiv aktivierend und emotional unterstützend zu gestalten. Wertschätzende Kommunikation ist mir sehr wichtig und Studierende können sich mit ihren Anliegen jederzeit an mich wenden. Da ich Sport studiert habe, können sich die Studierenden zudem auf kleine Bewegungseinheiten in meinen Veranstaltungen freuen!
Wie sieht Ihre internationale Zusammenarbeit aus?
Insbesondere was die Arbeit mit Videos angeht, sind internationale Kooperationen sehr bereichernd. Entsprechend war ich 2019 an der University of Arizona und habe hier Nicole Kersting besucht, die bereits an der TIMMS Videostudie mitgearbeitet hat und vielfältige Erfahrungen mit Videoanalysen mitbringt. In einer aktuellen Studie habe ich mit Kolleg:innen aus Dänemark und Belgien zusammengearbeitet. Zudem arbeite ich eng mit der Aarhus University zusammen und möchte auch im Rahmen der Professur die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern, aber auch mit anderen internationalen Universitäten, vertiefen.
Worauf freuen Sie sich in Hamburg?
Im Sommer Eis essen an der Alster und im Winter mit meinen Kindern Schlittschuh fahren in Planten un Blomen. Da wir in die Nähe des Stadtparks ziehen, freue ich mich zudem auf die Open-Air-Konzerte und Besuche im Planetarium. Außerdem freue ich mich sehr auf meine neuen Kollegen und Kolleginnen, auf die Studierenden, das Universitätsleben, die leckeren Essensmöglichkeiten rund um den Campus sowie auf spannende Begegnungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Projekte.
Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Start an der Uni Hamburg!
Hier geht es zum Steckbrief von Kira Weber im Newsroom der UHH.