"Frieden bilden" - alle Vorträge jetzt auch zum NachhörenRückblick auf Vortragsreihe des Sommersemesters
19. Juli 2022
Foto: UHH/Giesselmann
"Frieden bilden" - unter dem Titel versammeln sich unterschiedlichste Impulse von Forschenden der Fakultät sowie Gästen: vom historischen Blick auf die Rolle der Pädagogik im Krieg über Ansätze pädagogischer Praxis in Lateinamerika bis hin zum Umgang mit Gewalt und Aggression im Sportunterricht. Viele der Vorträge aus dem Sommersemester sind nun online verfügbar.
Die Vorlesungszeit des Sommersemesters ist mittlerweile zuende gegangen und damit auch die Ringvorlesung "Frieden bilden - Impulse aus der Erziehungswissenschaft" an unserer Fakultät, die angesichts des Kriegs in der Ukraine organisiert worden war, um dazu beizutragen, die kriegerische Zuspitzung zu analysieren und eine Perspektive für Frieden zu bilden. In der Ringvorlesung wurden verschiedene erziehungs- und bildungswissenschaftliche Zugänge, Perspektiven und konkrete Ansätze thematisiert.
Die Vorträge der Reihe wurden überwiegend auf Video aufgezeichnet und können jederzeit bei lecture2go angesehen werden - hier geht es zur Serie "Frieden bilden". Im Folgenden steht eine Zusammenfassung aller Vorträge von der Vorbereitungsgruppe.
Rückblick auf alle Vorträge
Die Vortragsreihe wurde am 26. April im Namen des Organisationsteams von Prof. Dr. Telse Iwers eingeleitet. Mit der Frage "Pädagogik im Krieg - Lässt sich aus Bildungsgeschichte lernen?" hat Prof. Dr. Ingrid Lohmann anschließend die Reihe eröffnet. Der Schwerpunkt des Vortrags lag auf der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und machte plastisch, inwiefern die weit verbreitete Kriegsbegeisterung auch durch (nationalistische) Erziehung geschaffen wurde. Gegen den in den Bildungseinrichtungen verbreiteten Hass gegen das (vermeintlich) Fremde wurden u.a. viele SozialpädagogInnen (u.a. Natorp, Wyneken) aktiv. Die Familie von Pädagoginnen wie Anna Siemsen sowie sie selbst vertraten eine Antikriegshaltung und engagierten sich für den Frieden. Das Bildungswesen spielt also sowohl für das Vorbereiten von Krieg als auch von Frieden eine entscheidende Rolle. Zum Vortrag…
Prof. Dr. Telse Iwers sprach in der Folgewoche zum Thema "Aufhebung der Entfremdung durch Pädagogik". Zur Fragestellung, ob pädagogisches Handeln Entfremdungserfahrung reduzieren kann, klärte sie zunächst den Begriff „Entfremdung“ und seine verschiedenen Konnotationen und wissenschaftlichen Zugänge. Konkretisiert wurde die Auseinandersetzung im Weiteren anhand der Auseinandersetzung mit der Fremdheit und der Bewegung der „Veranderung“ (den Anderen als einen Anderen reflektieren). Wie Stereotypisierung in ungewissen Situationen und ein einfaches Verständnis kultureller Zugehörigkeit aufgehoben werden kann, ohne selbst in Stereotypisierung und Ausgrenzung zu verfallen, beschäftigt verschiedene internationale Kooperationsprojekte, die im Vortrag vorgestellt wurden. Zum Vortrag…
Am 10. Mai beschäftigten sich Prof. Dr. Alexander Redlich und Julia Lewin mit dem Thema „Kultur der gewaltfreien Konfliktlösung“. Aus der Ukraine zugeschaltet war ihre Kooperationspartnerin Svitlana Khadziradeva (Ukrainische Schule des Managements). Das Hamburger Verständnis von Mediation als dialogischer Konfliktbearbeitung definiert Konflikte als das Aneinandergeraten von Menschen, die sich an der Verwirklichung ihrer Interessen hindern. Sie können im Mediationsverfahren mit der Herstellung von Ergebnisoffenheit beantwortet werden. Ein Schwerpunkt der Forschung und Arbeit beider Referent:innen liegt in der kooperativen Konfliktbearbeitung in postsowjetischen Staaten und dem Aufbau von Mediationsbüros vor Ort. Beteiligte HochschullehrerInnen aus St. Petersburg, Moldawien und der Ukraine agieren vor Ort anhand der Methode der Hamburger Schule, um die Bereitschaft für eine positive und friedliche Konfliktlösung zu befördern. Insbesondere die Frage, was eine Universität wissenschaftlich und politisch tun kann, um Frieden zu bilden, stand im Zentrum der Diskussion. Zum Vortrag…
Einen spezifischen Fokus auf den Zusammenhang von Comics und Friedensbildung in den 1970er und 80er Jahren legte Prof. Dr. Sylvia Kesper-Biermann mit ihrem Vortrag am 17. Mai. Zunächst stellte sie Grundzüge der kritischen Friedenserziehung vor, die sich in Verbindung mit der Friedensbewegung entwickelt hatte. Danach untersuchte sie anhand verschiedener Comics in Bild und Wort, wie durch sie über die Gefahren durch Nuklearwaffen aufgeklärt und zu Friedens-Aktivismus angeregt werden sollte. Der Vortrag wurde nicht aufgezeichnet.
Eine weitere internationale Perspektive wurde am 7. Juni von Prof. Dr. Christine Schmalenbach mit ihren Ausführungen zur peruanischen „Pedagogía de la Ternura“ aufgemacht. Dieser Ansatz entstand unter dem Eindruck der bewaffneten Konflikte in Peru sowie den lateinamerikanischen Erfahrungen von Kolonialisierung und versteht sich als eine Pädagogik der Menschenwürde und des Widerstands, die einen ganzheitlichen Protagonismus fördert. Die Lebenswelt von 14 bis 17 Millionen arbeitenden Kindern in Lateinamerika wird in diesem Ansatz ernstgenommen und im Sinne einer gewerkschaftlichen Organisierung aufgegriffen. Der Ansatz verneint die Verneinung (des Krieges) und zielt darauf ab, das zurückzugewinnen, was vom Krieg verneint wird: Ein Leben ohne Demütigung und in Würde sowie dialogischer Beziehung sind das Ziel. Ein wichtiges Element dieses Ansatzes ist, dass man nicht Protagonist sein kann, ohne den Protagonismus des Anderen zu fördern. In diesem Sinne wird gefördert, dass Kinder sich organisieren, kooperativ lernen und für Kinder sprechen. Zum Vortrag…
Prof. Marcus Croom von der Indiana University Bloomington (USA), stellte am 14. Juni aktuelle rassismuskritische Perspektiven zur Diskussion, die die gesellschaftliche Diskussion in den USA und insbesondere die bildungswissenschaftliche Debatte prägen. Der Vortrag mit dem Titel "Real Talk in Higher Education, Too? How to discuss race, racism, and politics in the 21st century American Schools" fand auf Englisch statt und wurde nicht aufgezeichnet.
Am 21. Juni sprach Dr. Jens Rogmann aus psychologischer Perspektive zu Prozessen inner- und zwischenmenschlicher Konflikteskalation. Er ging auf das Konzept des "Debiasing" als Förderung von Haltung und Fähigkeiten gegen kognitive Verzerrungen, die zu "ideologischem Extremismus" führen, ein und diskutierte bezugnehmend auf die "Konflikttreppe" nach Friedrich Glasl mit dem Auditorium Möglichkeiten der Deeskalation in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Der Vortrag wurde nicht aufgezeichnet.
In der Folgewoche diskutierten Prof. Dr. Claus Krieger und Mikesch Bouchehri sportpädagogische Umgangsweise mit Gewalt und Aggressionen im Sport. Sie erläuterten die sportbezogenen Entstehungsbedingungen von Aggressionen und Gewalt, wozu die Kommerzialisierung, die singuläre Siegfixierung sowie die Verdinglichung personaler Beziehungen gehören. Im Anschluss definierten sie neun Leitsätze zur Überwindung sportbezogener Gewalt. Dazu gehört u.a. die konstruktive Eliminierung von Gewalt aus dem Schulsport, die Reflexion von Gewalt, aber auch die Verbesserung von Schulkonzepten und Schulklima. Konkretisiert wurde das Anliegen der Kultivierung durch eine unter dem Stichwort "Erziehung durch Sport" laufende, von Mikesch Bouchehri entwickelte Konzeption zur Förderung demokratischer Handlungskompetenz im Sport, die darauf basiert, die reflexiven und kooperativ-demokratischen Elemente im Sportunterricht zu stärken und anhand der forcierten Veränderung der Komponenten Einstellungen, Urteilsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zu einer stärkeren demokratischen Handlungskompetenz zu kommen. Zum Vortrag...
Den Abschluss der Ringvorlesung bildeten die Kolleginnen und Kollegen aus dem Initiativkreis Friedensbildung an der Uni Hamburg, die unter der Fragestellung "Was wir tun und warum gerade jetzt" Einblicke in ihre je spezifische und gemeinsame Arbeit im Rahmen des Curriculums Friedensbildung/Peace Building gaben. Der Arbeit des Initiativkreises liegen u.a. folgende Thesen zugrunde: Es gibt unterschiedliche Kulturen des Friedens. Konflikte gehören zum Leben und können konstruktiv ausgetragen werden. Auch Gewalt wird gelernt. Krieg schreibt sich in jegliche gesellschaftliche Struktur ein. Friedensbildung schafft Bewusstsein für Konfliktdiskurse. Die Vortragenden hielten fest, dass gegenwärtig eine pazifistische Haltung unter Beschuss stehe. Vor diesem Hintergrund müsse neu die Stimme für eine Friedenskultur erhoben werden. Auch die Medien hätten die Verantwortung, Möglichkeiten darzustellen, zu einem Ende des Krieges zu kommen. Eine universelle Verständigung brauche dabei eine säkulare Ethik, die die Religionen achte. Dafür wurde das ökumenische Leitbild des "gerechten Friedens" vorgestellt. Der Vortrag wurde nicht aufgezeichnet.
In Auswertung der perspektivreichen Ringvorlesung sind weitere Initiativen für das kommende Wintersemester geplant, über die zu gegebener Zeit auf der Homepage der Fakultät informiert werden wird.