Professur für Didaktik der evangelischen Religion besetztWie kann religiöse Bildung in einer heterogenen Gesellschaft aussehen?Prof. Dr. Thorsten Knauth im Gespräch
19. Oktober 2021
Foto: UDE
Die Fakultät für Erziehungswissenschaft darf Thorsten Knauth als neuen Professor begrüßen. Seit Oktober hat er eine Professur für die Didaktik der evangelischen Religion inne. Im Gespräch erzählt er von seinem Weg nach Hamburg, welche Fragen zu religiöser Bildung in einer vielfach heterogenen Gesellschaft in seinem Forschungs-Fokus stehen und was er innerhalb der Lehre erreichen möchte.
Ihr Weg als Wissenschaftler in fünf Sätzen?
Nach meinem Studium (Evangelische Theologie, Germanistik und Erziehungswissenschaft) habe ich an der Universität Hamburg zum Thema Religionsunterricht und Dialog promoviert und anschließend als wissenschaftlicher Assistent im Arbeitsbereich Religionspädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft gearbeitet. Dort habe ich mich auch mit einer Studie zur Religionspädagogik der 1968er Jahre („Problemorientierter Religionsunterricht“) habilitiert. Es folgten Vertretungsprofessuren an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (C4 Allgemeine Pädagogik) und der Universität zu Köln (C4 Religionspädagogik und Systematische Theologie), bevor ich für die Arbeit in einem großen Europäischen Forschungsprojekt zu Religion und Dialog im Bildungswesen (REDCo) nach Hamburg zurückkehrte. Ein Ruf auf die Professur für Evangelische Theologie/Religionspädagogik (W3) führte mich dann an die Universität Duisburg-Essen, an der ich außerdem die Arbeitsstelle interreligiöses Lernen leitete, die dem Lehrstuhl für Religionspädagogik angegliedert war.
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, an die Uni Hamburg zu kommen?
Hamburg geht einen bundesweit, aber auch international beachteten Weg eines von mehreren Religionsgemeinschaften gemeinsam verantworteten, dialogisch und interreligiös ausgerichteten Religionsunterrichts. Die Aufgabe, eine damit verbundene mehrperspektivisch angelegte Religionslehrer*innenbildung mitzugestalten und Möglichkeiten wie Grenzen des „Religionsunterrichts für alle“ an den Schulen forschend zu untersuchen, ist sehr reizvoll, zumal ich während meiner Hamburger Promotions- und Habilitationszeit die Anfänge zu einem dialogischen Religionsunterricht mit verfolgt habe und auch später in weiteren empirischen Projekten den Hamburger Religionsunterricht mit anderen Organisationsformen – auf nationaler wie europäischer Ebene – verglichen habe. Ebenfalls schätze ich die besonderen Möglichkeiten, die sich aus der Verankerung der Religionspädagogik in der Fakultät für Erziehungswissenschaft ergeben. Ich freue mich darauf, mich mit Kolleg*innen über erziehungswissenschaftliche, bildungstheoretische, schulpädagogische und fachdidaktische Fragen einer heterogenitätsfähigen Lehrer*innenbildung auszutauschen.
An welchen Forschungsthemen arbeiten Sie derzeit?
Es gibt einen Dauerbrenner, der unter verschiedenen Aspekten in Forschungsprojekten immer wieder eine Rolle gespielt hat und auch in der kommenden Zeit mein Interesse am Hamburger Religionsunterricht leiten wird: Wie ist dialogisches religionsbezogenes Lernen unter den Bedingungen von Heterogenität möglich? Dabei geht es nicht allein um religiöse und weltanschauliche Orientierungen, sondern auch um Gender, Dis/Ability und den sozio-ökonomischen Status. Hierzu habe ich sowohl in Hamburg als auch in Essen empirisch geforscht und konzeptionell gearbeitet, zuletzt in den beiden vom BMBF geförderten Projekten „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“ (ReDi)und „Professionalisierung für Vielfalt in der Lehrer*innenbildung“ (ProViel). In einem Forschungsnetzwerk arbeite ich – zusammen mit Kolleg*innen verschiedener Universitäten – an konzeptionellen, curricularen und didaktischen Themen einer inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt (www.inrev.de) . Zurzeit beschäftigt mich – im Rahmen eines laufenden empirischen Projektes zur Schul- und Unterrichtsforschung (Religion, Armut, Migration an Schulen [RAMSch]) – besonders die Frage von religiöser Bildung in Kontexten von sozio-ökonomischer Benachteiligung.
Was erwarten Sie von den Studierenden und von sich selbst innerhalb der Lehre?
Lust, Neugier und eine gleichermaßen offene wie kritische Haltung, die im Themenfeld von Religion und Religionspädagogik liegenden Fragen, Antworten und Perspektiven zu erschließen und in den Dialog zu bringen.
Zu welchen aktuellen gesellschaftlichen Themen oder Herausforderungen möchten Sie Ihre wissenschaftliche Expertise beitragen (und wie)?
Wie religiöse und ethische Bildung in einer postsäkularen Migrationsgesellschaft zu gestalten ist, wird zukünftig kein Randthema mehr sein, sondern führt mitten in die Frage nach dem, was Gesellschaften zusammenhält. Religionsunterricht und Religionspädagogik in Hamburg können einen Beitrag zur Diskussion dieser Frage leisten.
Welches ist Ihr Lieblingsort in Hamburg?
Das hängt von Stimmungen und Bedürfnissen ab. Wenn es trubelig sein soll, genieße ich die Abende in den bekannten Vierteln. Gerne würde ich auch mal wieder auf der Gegengerade ein Heimspiel von St. Pauli oder ein Konzert in der Fabrik verfolgen. Wenn es aber ruhig und still sein soll, kenne ich in Hamburg Orte, die Lieblingsplätze nur sein können, wenn sie ein bisschen geheim bleiben.