Die Fakultät trauert um Prof. Dr. Helmut Rünger
29. Februar 2016, von Dr. Wolfgang Roehl

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Die Fakultät für Erziehungswissenschaft und insbesondere die Mitglieder des ehemaligen Instituts für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Freizeitpädagogik der Universität Hamburg trauern um ihren Seniorkollegen Prof. Dr. Helmut Rünger, der am 6. Februar 2016 im 92. Lebensjahr in Reinbek verstorben ist.
Helmut Rünger stammte aus Südhessen. Geboren am 27. Juni 1924, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Heppenheim an der Bergstraße, wo er in der Nachbarschaft des jüdischen Religionsphilosophen und Pädagogen Martin Buber und seiner Frau wohnte – eine Begegnung, die für seinen Lebensweg und seine Denkweise sehr wichtig wurde.
Nach dem Lehramtsstudium in Jugenheim an der Bergstraße war Rünger zunächst als Volksschullehrer im südhessischen Ried tätig, einem Tabakanbaugebiet, wo er die soziale Lage der dortigen Landbevölkerung näher kennenlernte. Zugleich widmete er sich weiterführenden Studien an der Universität Heidelberg und strebte eine noch ausgeprägtere soziale Tätigkeit an. Dem entsprach, dass er nach der Promotion in die Leitung einer hessischen Vollzugsanstalt und dann einer großen diakonischen Behinderteneinrichtung berufen wurde.
In jener Zeit erschienen von ihm drei Buchveröffentlichungen: „Heimerziehungslehre“ (1962, 2.A. 1968), „Einführung in die Sozialpädagogik“ (1964) und „Die männliche Diakonie“ (1965). Insbesondere die beiden erstgenannten fanden als Lehrbücher an sozialpädagogischen Fachschulen weite Verbreitung. Vielbeachtet war auch eine Aufsatzfolge zur Sexualpädagogik in Westermanns Pädagogischen Beiträgen 1967.
Helmut Rünger gehörte unserem Kollegium bis zu seiner Pensionierung 1989 ein Vierteljahrhundert an: 1964 wurde er hier auf eine Dozentur für Sozialpädagogik berufen, die insbesondere sozialpädagogischen Aspekten im Lehramtsstudium (und später auch im Diplomstudium) gewidmet war; 1972 erfolgte die Ernennung zum Professor.
Helmut Rünger setzte in seiner Lehrtätigkeit einen besonderen Akzent in der Beschäftigung mit beispielhaften Sozialpädagogen wie Pestalozzi, Makarenko oder Korczak, aber auch mit der dialogischen Sozialphilosophie Martin Bubers. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Aufgaben und je unterschiedlichen Praxisgestaltungen der Heimerziehung. Die zum Teil sehr angestrengten Theoriedebatten der erziehungswissenschaftlichen Zunft blieben ihm demgegenüber fremd: Er empfand sie als bloße „Glasperlenspiele“.
Umso mehr zeichnete ihn ein wacher Blick für die Nöte des jeweils konkreten menschlichen Gegenübers aus. Nicht nur viele Studierende, sondern auch manches Mitglied des Kollegiums (so auch ich) erinnern sich dessen dankbar. Einen Höhepunkt der fachlichen und mitmenschlichen Kooperation bildeten jeweils die von Helmut Rünger organisierten Exkursionen des Kollegiums zu sozialpädagogischen Einrichtungen. Besonders eindrucksvoll war uns hier eine mehrtägige Reise in die Schweiz. Rüngers Hintergedanke war dabei auch (wie bei vielen seiner Unternehmungen), Zusammenhalt und Kooperation der Institutsmitglieder zu fördern.
In seinem Haus in Reinbek pflegte er - bis zu deren Tod gemeinsam mit seiner Frau - ein gastliches Haus des offenen Dialogs. Auch nach seiner Pensionierung 1989 hielt Rünger Kontakt zu uns allen und insbesondere zu seinen früheren Studierenden. Hier diente besonders das Haus der christlichen Ansverus-Bruderschaft, der er angehörte, als dialogfördernder Rahmen.
Auch außerhalb der Universität pflegte Helmut Rünger, so lange es ihm seine Gesundheit erlaubte, ausgeprägte kulturelle, pädagogische und gesellschaftliche Interessen und Kontakte. So war er ein gefragter Ratgeber - von Konzepten der Ausbildung in der Handelsmarine (wo er früher des öfteren als Pädagoge mit auf Fahrt war) bis zur Programmgestaltung des Übersee-Clubs. Und seine kenntnisreiche Leidenschaft für das Ballett gab ihm bald Gelegenheit zu näherer persönlicher Bekanntschaft mit John Neumeier und Mitgliedern seiner Truppe.
Allen, die ihn kennen durften, wird Helmut Rünger als sehr anregender und lebendiger, singulärer Pädagoge und gläubiger Christ in dankbarer Erinnerung bleiben.
Prof. Dr. Horst Scarbath