2021-2024 PhyDiv (DFG, Böll): Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität
DFG-Projekt PhyDiv
In einem erheblichen Teil der Schulen in Deutschland wird eine sprachlich vielfältige Schülerschaft unterrichtet. Viele Sprachen neben der deutschen kommen vor allem durch Schülerinnen und Schüler zusammen, deren Familien nach Deutschland zugewandert sind. Im Alltag dieser Familien spielen zumeist die Sprachen der Herkunft zusätzlichen zum Deutschen eine wichtige Rolle. Seit den 1970er Jahren ist die Zahl der Herkunftsländer von Migrantinnen und Migranten in Deutschland kontinuierlich gewachsen. Damit hat sich zugleich die Zahl der mitgebrachten Sprachen vervielfacht. Schätzungen deuten darauf, dass – mindestens in Großstädten – weit mehr als 100 Sprachen alltäglich gesprochen werden. In den Schulen ist daher ein breites Spektrum von Spracherfahrungen vertreten – von Einsprachigkeit in einer anderen Sprache als Deutsch (bei Kindern, die neu zugewandert sind) bis zur entfalteten Lese- und Schreibfähigkeit im Deutschen und mehreren anderen Sprachen.
Diese Situation ist der Ausgangspunkt des Forschungsprojekts „Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität“. Es zielt darauf ab, Unterrichtsansätze für den Physikunterricht zu entwickeln und zu prüfen, die durch besondere Rücksicht auf die sprachliche Zusammensetzung der Lerngruppe zu besseren Lernergebnissen im Unterrichtsfach führen. Die Untersuchung wird exemplarisch im Fach Physik durchgeführt. Geklärt werden soll die Frage, ob und unter welchen Bedingungen sich für den Lernerfolg ein Mehrwert erzielen lässt, wenn die Schülerinnen und Schüler systematisch dabei unterstützt werden, ihr gesamtes sprachliches Repertoire einzusetzen, um fachliche Inhalte zu verstehen. Dabei sollen zwei- oder mehrsprachige Lernende auch ihre herkunftssprachlichen Fähigkeiten einzusetzen. Die Untersuchung soll nicht nur grundlegende Erkenntnisse liefern, sondern auch Ergebnisse, die für die praktische Gestaltung von erfolgreichem Physikunterricht in sprachlich vielfältigen Klassen nützlich sind.
Ergänzungsprojekt PhyDiv-Mikro
PhyDiv-Mikro soll klären, wie sprachexpliziter Fachunterricht am Beispiel Physik im Detail wirkt. Um diese Frage zu untersuchen, werden Unterrichtsanalysen zur Nutzung von Lerngelegenheiten in sprachexplizitem Physikunterricht angestellt, der die Nutzung der Herkunftssprachen der Schüler:innen im Unterricht miteinbezieht. Diese Unterrichtsvariante wurde im Rahmen der laufenden DFG-Interventionsstudie PhyDiv entwickelt und durchgeführt. PhyDiv-Mikro nutzt diese Ressource, um durch Videoanalysen vertieftes Beschreibungs-, Erklärungs- und Handlungswissen über Wirkweisen und Implementationsbedingungen sprachexpliziten Fachunterrichts auf einer Mikro-Ebene abzuleiten. Mit der Identifizierung förderlicher und hemmender Lernbedingungen der sprachexpliziten Unterrichtsvariante wird eine Verbesserung von Teilhabechancen insbesondere von Schüler:innen intendiert, deren bildungssprachliche Fähigkeiten im Deutschen schwach ausgeprägt sind.
Ergänzungsprojekt "Sprachexpliziter Physikunterricht – Vignetten für die Lehrerbildung"
In einem Ergänzungsprojekt werden aus dem Pilot-Unterricht von PhyDiv Vignetten (Audio, Transkripte) für die Lehrerbildung extrahiert. Aktuell mangelt es der Lehrerbildung v.a. in Physik noch an geeigneten Vignetten, die die Wirkungen von Sprachexplizitheit in situ darstellen, analysierbar und diskutierbar machen. Alternativ ließen sich solche Vignetten nur aufwändig inszenieren. Unterrichts-Video-Datenbanken sind hier leider unergiebig. In unserem Projekt ergibt sich daher eine sehr günstige Gelegenheit zur Vignettenerstellung. In diesem Vorhaben soll daher der Pilotunterricht video- bzw. audiographiert (je nach Phase und sozialer Situation) werden, um ca. 15-20 Vignetten für die Lehrerbildung zu gewinnen. Sie sollen unterschiedliche Aspekte der Theorie sprachexpliziten Fachunterrichts zugänglich und erfahrbar machen.
PhyDiv wird in Koopertation mit Ingrid Gogolin durchgeführt und wird von der DFG gefördert. In PhyDiv arbeiten Regina Schauer und Rebecca Moeller als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen.
Es ist Teil des fakultären Forschungszentrums LiDS (Literacy in Diversity Settings) der Universität Hamburg.
Hier geht es zur Website des PhyDiv-Projekts.
Publikationen
Möller, R., & Höttecke, D. (angenommen). Unterrichtsvignetten als Lernmedium für Scaffolding in sprachexplizitem Physikunterricht [Teaching vignettes as a learning medium for scaffolding in language-explicit physics lessons]. In G. Kaiser, E. Arnold, & J. Doll, Innovative Ansätze zur Veränderung der Lehrkräftebildung. Waxmann.
Brandt, H., Böhmer, J., Gogolin, I., Höttecke, D., Möller, R., & Schauer, R. (angenommen). Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität (PhyDiv). Die Deutsche Schule.
Möller, R. & Höttecke, D. (angenommen). Nutzung der Familiensprache durch Schüler:innen in sprachexplizitem Physikunterricht. In H.v. Vorst (Hrsg.), Frühe Naturwissenschaftliche Bildung. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik. Jahrestagung in Hamburg 2023.
Möller, R. & Höttecke, D. (2023). Sprachexpliziter Physikunterricht – Vignetten für die Lehrerbildung [Language-explicit physics education - vignettes for teacher education]. In H.v. Vorst (Hrsg.), Lernen, Lehren und Forschen in einer digital geprägten Welt (S. 953-956). Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik. Jahrstagung in Aachen 2022.
Schauer, R., Möller, R., Böhmer, J., Brandt, H., & Höttecke, D. (2023). „Energie“ - Entwicklung von sprachexplizitem Physikunterricht ["Energy" - development of language-explicit physics teaching]. In H.v. Vorst (Hrsg.), Lernen, Lehren und Forschen in einer digital geprägten Welt (S. 957-960). Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik. Jahrstagung in Aachen 2022.