Junge Forschung: Wider die Kommerzialisierung - „Community Owned Sports Clubs“Fabian Fritz im Gespräch
9. Mai 2023
Foto: privat
Sportvereine können ein wichtiger Ort für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sein, an denen demokratische Praxis gelebt wird. Fabian Fritz aus dem Arbeitsbereich Sozialpädagogik hat sich in seinem Promotionsvorhaben acht englische Fußballvereine, sogenannte "Community Owned Sports Clubs" angeschaut. Im Gespräch erzählt er, wie in diesen demokratisch organisierten Vereinen Demokratiebildung umgesetzt wird und welche Rolle sie im zunehmend kommerzialisierten Fußball einnehmen.
Zur Reihe „Junge Forschung“
Woran arbeiten eigentlich junge Erziehungswissenschaftler:innen? Und wo können sie aus ihrer Forschungsarbeit interessante Impulse für die Praxis einbringen? In einer neuen Reihe stellen wir junge Forschende aus unserer Fakultät und ihre Arbeit vor - und zwar im Interview mit unserem Leiter der Graduiertenschule, Dr. Markus Friederici.
Lieber Fabian, worum geht es in deiner Arbeit?
In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit einem sehr spezifischen Typus englischer Sportvereine und ihrem Potential zur Demokratiebildung für Kinder und Jugendliche. Ich habe mir acht sogenannte „Community Owned Sports Clubs“ (COSCs) und ihre Kinder- und Jugendarbeit angeschaut. COSCs sind Fußball-Vereine, die wegen ausufernder Kommerzialisierung von ihren Fans (neu)gegründet wurden – so haben z.B. ehemalige Fans vom „Manchester United FC“ ihren eigenen Verein gegründet: den „FC United of Manchester“. Diese ca. 50 Fußballvereine in England werden im Gegensatz zu den anderen Fußballvereinen demokratisch geführt, orientieren sich stark am deutschen Vereinswesen und haben zahlreiche Kinder und Jugendliche als Mitglieder. Während meines Aufenthaltes in UK konnte ich bei acht Vereinen sowohl Fachkräfte als auch Kinder und Jugendliche selbst zu ihrer demokratischen Partizipation befragen und habe untersucht, wie sie dabei Demokratie einüben können. Kurz gesagt: ich habe mir Demokratiebildung durch demokratische Praxis angeschaut.
Welche Ergebnisse hast du erhalten?
Diese Sportvereine bringen im Gegensatz zu den privat als Wirtschaftsunternehmen geführten Vereinen hohes Potential zur Demokratiebildung mit sich. Allerdings variiert dies je nach Rolle der Kinder und Jugendlichen im Verein. Während Leistungsportler*innen kaum und Breitensportler*innen wenig mitbestimmen können, sind junge Fan-Mitglieder oft gut in die Vereinsdemokratie eingebunden. Allerdings fällt es diesen Vereinen generell schwer, Verantwortung an junge Menschen abzugeben. Interessanterweise richten die Vereine sich mit ihren Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit aber gar nicht so umfassend an die eigenen Mitglieder, sondern adressieren sogenannte „benachteiligte“ Jugendliche außerhalb der Vereine. Diese werden eher defizitär angesprochen und daher wird ihnen wenig bis keine Mitbestimmung zugesprochen. So wichtig diese Angebote, wie bspw. Hausaufgabenhilfe oder Straßenfußball, auch sind, die Vereine nutzen somit ihr Potential zur Demokratiebildung nicht umfassend.
Welche Relevanz haben deine Ergebnisse für konkrete Praxisfelder?
Da ich partizipativ geforscht habe, konnten die Vereine ihre Fragestellungen von Anfang an einbringen. Somit konnten sie am Ende auch selbst mit dem gemeinsam erhobenen Material weiterarbeiten. Konkret heißt das, dass es nach meinen Interviews eine Validierung der Ergebnisse mit den gleichen Interviewpartner*innen gab. Dabei wurde deutlich, dass meine Arbeit in einigen Vereinen eine Demokratisierung der Kinder- und Jugendarbeit angestoßen hat. Leider kam die Coronapandemie dazwischen, so dass es nicht gelang mit allen Vereinen weiterzuarbeiten. Allerdings wurden wichtige Prozesse in Gang gebracht.
Gibt es eine Quintessenz deiner Arbeit?
Am Ende stehen diese Vereine für eine Demokratisierung des durchkommerzialisierten (Profi-)Fußballs und geben Hoffnung, dass eine Zähmung des Kapitalismus durch demokratische Vereine möglich ist. Gerade, dass diese Vereine eng mit ihrer Nachbarschaft und ihren Communities verknüpft sind, unterstreicht, wie wichtig kommunale Settings für die Demokratie sind. Allerdings wurde auch deutlich, wie schwierig es diese Vereine haben, ihre Utopie im sonst weitestgehend kommerziellen Umfeld der anderen Vereine aufrecht zu erhalten. Schlussendlich habe sogar während meiner Erhebung einige der Clubs ihre Vereinsdemokratie zugunsten eines Verkaufs an Investoren aufgegeben.
Vielen Dank!
Zur Person
Fabian Fritz promoviert im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Daneben ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, Lehrbeauftragter an der HAW Hamburg und Jugendbildungsreferent beim Museum für den FC St. Pauli. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Demokratiebildung, Kinder- und Jugendarbeit sowie Sportvereine.