Sprache als Thema im Physikunterricht?Projekt zu Lehren und Lernen über sprachexpliziten Unterricht
28. September 2022
Foto: UHH/Rebecca Möller
Ob Schüler:innen im deutschen Bildungssystem erfolgreich sind, hängt im Wesentlichen von ihrem familiären Hintergrund ab. Bildungssprachliche Kompetenzen sind ein wichtiger Faktor für den schulischen Erfolg. Ein Projekt an der Fakultät für Erziehungswissenschaft fragt, wie bildungssprachliche Kompetenzen im Unterrichtsfach Physik gefördert werden können. Die Forschenden entwickeln „Unterrichtsvignetten“ zu sogenanntem „sprachexpliziten Unterricht“, die für (angehende) Lehrkräfte zum Lernen genutzt werden sollen.
Zum Hintergrund: Schüler:innen aus privilegierten Verhältnissen (zum Beispiel hoher Schulabschluss der Eltern) gehen häufiger auf ein Gymnasium und machen häufiger ihr Abitur als Schüler:innen aus weniger privilegierten Verhältnissen. Ein Grund hierfür ist, dass Schüler:innen aus privilegierten Verhältnissen über ausgeprägte bildungssprachliche Kompetenzen verfügen. Bildungssprache meint dabei die Art der Sprache, die durch Lehrkräfte oder in Schulbüchern verwendet wird und daher wesentlich für Lernen in der Schule ist.
Sprachexpliziter Unterricht hat zum Ziel, auch Schüler:innen aus weniger privilegierten Verhältnissen Bildungserfolg zu ermöglichen, indem die sprachlichen Kompetenzen der Schüler:innen im Unterricht systematisch berücksichtigt und gefördert werden. Wie sprachexpliziter Physikunterricht aussehen kann, zeigen die Unterrichtsvignetten, also kurze Szenen, die im Rahmen des Lehrlabor-Projekts „Sprachexpliziter Physikunterricht: Vignetten für die Lehrerbildung“ entwickelt werden. Als Grundlage für die Entwicklung der 15 bis 20 Text- und Videovignetten dient dabei Physikunterricht, der im Rahmen des Forschungsprojekts „PhyDiv“ erprobt wird. Ein Beispiel: Im Physikunterricht geht es um das Thema „Energieumwandlung“. Das Wort „Umwandlung“ ist dabei für das physikalische Konzept „Energie“ entscheidend: Es signalisiert, dass „Energie“ nicht einfach auftaucht oder plötzlich verschwindet, sondern immer von einer Energieform in eine andere umgewandelt wird. Das widerspricht Alltagsvorstellungen, nach denen Energie „verbraucht“ wird. In sprachexplizitem Unterricht wird dieser Unterschied anhand der Auseinandersetzung mit der Bezeichnung „Umwandlung“ verdeutlicht. Diese Reflexion über Sprache soll das fachliche Lernen unterstützen. In den Unterrichtsvignetten werden Beispiele dafür vorgestellt, wie Lehrkräfte entsprechende Arbeitsphasen moderieren.
Die Vignetten werden der Fakultät für Erziehungswissenschaft für die Lehramtsausbildung zur Verfügung gestellt. Insbesondere in Lehrveranstaltungen für naturwissenschaftliche Fächer sollen sie zukünftig eingesetzt werden. Sie bergen das Potenzial, die Kompetenzen Lehramtsstudierender zur Umsetzung sprachexpliziten Unterrichts zu fördern und dadurch die Entwicklung bildungssprachlicher Kompetenzen von Schüler:innen voranzubringen. Damit wird ein Beitrag zur Verminderung der Bildungsbenachteiligung geleistet.
Das Projekt wird von Rebecca Möller durchgeführt, von Prof. Dr. Dietmar Höttecke sowie Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ingrid Gogolin verantwortet. Es ist Teil des fakultären Forschungszentrums LiDS (Literacy in Diversity Settings) der Universität Hamburg.
Text: Rebecca Möller