Professur für Pädagogische Psychologie besetzt„Wir müssen Emotionen und Wohlbefinden der Lernenden in den Blick nehmen“Prof. Dr. Stephanie Lichtenfeld im Gespräch
1. März 2022, von Bente Gießelmann
Foto: privat
Die Fakultät darf Stephanie Lichtenfeld als neue Professorin begrüßen. Sie ist von der University of Durham nach Hamburg gekommen und hat eine Professur an der Fakultät für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Pädagogische Psychologie einschließlich Entwicklungspsychologie/Sozialisation“ angetreten. Im Interview erzählt Stephanie Lichtenfeld von ihrem Weg nach Hamburg, was sie an der Verbindung von Emotionen und Lernen besonders interessiert und wie sie mit Studierenden arbeiten möchte.
Ihr Weg als Wissenschaftler*in in fünf Sätzen?
Meine wissenschaftliche Karriere hat an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München begonnen. Dort habe ich mit Auszeichnung im Fach Psychologie promoviert. In der Zeit nach meiner Promotion habe ich im Rahmen eines DAAD Postdoc-Stipendiums an der University of Rochester in den USA intensiv mit Prof. Andrew Elliot zusammengearbeitet. Nachdem ich eine Akademische Ratsstelle auf Lebenszeit an der LMU innehatte und die Professur für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg vertreten habe, war ich während der letzten vier Jahre als Professorin an der Durham University im Norden von England tätig. Nun freue ich mich sehr auf meinen Start an der Uni Hamburg!
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, an die Uni Hamburg zu kommen?
Die Universität Hamburg bietet ein exzellentes Umfeld für die Forschung. Thematisch sehe ich zahlreiche Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten, meine Forschungsthemen in der Fakultät einzubringen und freue mich auf einen intensiven Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen.
An welchen Forschungsthemen arbeiten Sie derzeit?
Zentrales Thema meiner Forschungstätigkeit ist das emotionale Erleben sowie motivationale Aspekte im Lern- und Leistungskontext. Einen wichtigen Stellenwert bei der Erforschung des emotionalen Erlebens und Wohlbefindens nimmt die Entwicklung valider und reliabler Messinstrumente ein. Im Rahmen meiner Forschungsprojekte zur Messung von Emotionen und Motivation arbeite ich an der Entwicklung von quantitativen Selbstberichtskalen sowie impliziten Verfahren, die auf Reaktionszeiten basieren. Darüber hinaus untersuche ich anhand experimenteller Studien die zugrundeliegenden Mechanismen für die Entstehung von Emotionen, sowie deren Einfluss auf Motivation und Leistung.
Ferner beschäftige ich mich mit der Erforschung von Emotionen an einer im Emotionskontext eher vernachlässigten Zielgruppe, den Grundschülerinnen und -schülern. Im Rahmen meiner Forschungsarbeiten untersuche ich beispielsweise anhand von Strukturgleichungsmodellen die Entwicklung von Emotionen in dieser Altersgruppe, sowie deren Zusammenhang mit schulischer Leistung. Aufbauend auf diesen Befunden, möchte ich die Rolle emotionaler und motivationaler Faktoren für eine erfolgreiche Entwicklung in dieser bedeutsamen Lebensphase untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann in praxisorientierten Projekten Anwendung finden und so für Praxis und Gesellschaft nutzbar gemacht werden (z.B. in Form von Interventionsmaßnahmen).
Die Schwerpunkte, die ich hierbei setzen möchte, sind zum einen die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen, die auf das Erlernen von Emotionsregulationsstrategien abzielen und somit das Erleben positiver und die Reduktion negativer Emotionen zur Folge haben. Zum anderen sollen Interventionsmaßnahmen konzipiert werden, die das Verzeihen in zwischenmenschlichen Interaktionen im Lern- und Leistungskontext (Peer-Interaktionen, Lehrer-Schüler-Interaktionen) zum Ziel haben.
Ein weiteres Thema, das ich insbesondere mit Blick auf die Pandemie interessant finde, ist inwieweit die Toleranz Unsicherheiten auszuhalten eine Rolle für unser emotionales Erleben spielt und ob es Möglichkeiten gibt, Unsicherheiten besser auszuhalten und mit diesen umzugehen.
In meinen Studien versuche ich emotions- und motivationspsychologische Themen aus verschiedensten Perspektiven näher zu beleuchten. Ich führe sowohl korrelative Quer- und Längsschnittstudien als auch Experimente durch und versuche auf diese Weise die Stärken der experimentellen Forschung (Schluss auf Kausalität) und der angewandten Forschung (ökologische Validität) in einem gemeinsamen Forschungsprogramm zusammenzubringen.
Wie erklären Sie Ihre Forschung außerhalb der Wissenschaft?
Als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler ist man stets darum bemüht, Antworten auf Fragen zu finden. Die folgenden Fragen interessieren mich in meiner Forschung besonders: Wie fühlen sich Kinder in der Schule? Inwiefern beeinflussen unsere Gefühle, wie gut wir Aufgaben bearbeiten und lernen können? Wie entwickeln sich unsere Gefühle während der Schulzeit und im Studium? Welche Faktoren beeinflussen diese Entwicklung? Und welchen Zusammenhang gibt es zwischen Emotionen, Motivation und Leistung in einem Fach?
Zu welchen aktuellen gesellschaftlichen Themen oder Herausforderungen möchten Sie Ihre wissenschaftliche Expertise beitragen (und wie)?
Insbesondere in Zeiten wie diesen, in der wir uns mit schwerwiegenden Konsequenzen durch die Pandemie konfrontiert sehen, halte ich es für außerordentlich wichtig einen Fokus auf das emotionale Erleben und Wohlbefinden von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu legen. Es wird derzeit viel darüber debattiert, wie man Wissenslücken füllen kann, soziale Ungleichheiten in der akademischen Leistung ausgleichen kann und wie man evaluative Standards anpassen kann, um der Situation gerecht zu werden. Ich halte es jedoch für mindestens ebenso entscheidend, das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden in den Blick zu nehmen und darüber nachzudenken, wie man positive Emotionen fördern und Stress und negative Emotionen verringern kann.
Was erwarten Sie von den Studierenden und von sich selbst innerhalb der Lehre?
Neugier, Offenheit und Interesse am Fach Psychologie, sowie den Wunsch, sich kritisch und konstruktiv mit zentralen Fragen der pädagogischen und Entwicklungspsychologie auseinanderzusetzen. Ferner ist mir die Bereitschaft zum selbstregulierenden Lernen von Seiten der Studierenden besonders wichtig.
Ich freue mich darauf gemeinsam mit den Studierenden zentrale psychologische Fragestellungen, die für den Lern- und Leistungskontext relevant sind, zu diskutieren und hoffe sie in meiner Begeisterung für psychologische Fragestellung anzustecken. Bei der Vermittlung von Lehrinhalten ist es mir besonders wichtig die Forschungs- und Praxisorientierung zu fördern und den Pendelschwung von der Wissenschaft zur Praxis durchzuführen. Dabei sollte das Pendel in ausgewogener Weise zwischen den Endpunkten Grundlagenwissen und dem Anwendungsbezug hin- und herschwingen und die Studierende befähigen herauszufinden, welche Theorien nicht nur richtig oder empirisch gut abgesichert sind, sondern inwiefern diese Theorien in der Umsetzung und Anwendung Erfolg versprechend sind.
Wie sieht Ihre internationale Zusammenarbeit aus?
In meiner Forschungs- und Lehrpraxis lege ich großen Wert auf internationale Kontakte und Zusammenarbeit und habe in den letzten Jahren ein Netzwerk internationaler Kooperationen etabliert. Intensive Kontakte pflege ich unter anderem in die USA, Australien, aber auch ins europäische Ausland, wie beispielsweise nach Italien und Spanien. Zahlreiche Kontakte habe ich nun durch die letzten Jahre natürlich auch nach England geknüpft. Dieses Netzwerk weiter auszubauen, ist ein großes Anliegen von mir.
Worauf freuen Sie sich in Hamburg?
Ich freue mich besonders auf die Zusammenarbeit mit den netten Kollegen und Kolleginnen, die ich bereits kennenlernen durfte, darauf neue Kooperationen zu initiieren und auf spannende Diskussionen mit den Studierenden!
Danke für das Gespräch und einen guten Start an der Uni Hamburg!
Zum Steckbrief von Frau Lichtenfeld im Newsroom geht es hier.