Konferenzthema
"Plurilingual Literacies in Erziehung und Bildung: Plurale Ansätze im Unterricht und darüber hinaus"
Hintergrund
Plurilingual Literacy ist ein Konzept, das die Fähigkeiten des mehrsprachigen Individuums im Umgang mit Diskursen unterstreicht, die in verschiedenen Sprachen, Modi und Kontexten produziert werden (Cuenat, Manno & Desgrippes, 2020). Es spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von kritischem Denken, Kommunikationsfähigkeit sowie sozialer Teilhabe und Inklusion. In diesem Sinne umfassen Plurilingual Literacies sowie die Gelegenheiten zur Nutzung derselben nach Stavans und Hoffmann „viel mehr als nur die Techniken des Kodierens und Dekodierens geschriebener Sprache“ (2015, S. 255, eigene Übersetzung; siehe auch Breuer, Lindgren, Stavans & Van Steendam, 2021; Molinié & Moore, 2012; Moore, 2020; Rispail, 2011).
In dieser Auflage der EDILIC-Konferenz nähern wir uns den Plurilingual Literacies aus einer doppelten, miteinander verknüpften Perspektive: Einerseits können Plurilingual Literacies als ein Ziel von Erziehung und Bildung betrachtet, andererseits als Ressource und Ausgangspunkt für die Gestaltung von Lernwegen und pädagogischen Szenarien angesehen werden. Unabhängig davon, welches dieser Ziele den Vorzug erhält oder ob beide miteinander kombiniert werden, ist zu bedenken, dass plurale Ansätze (Candelier et al., 2012) zur Entwicklung und Maximierung der Plurilingual Literacies des bzw. der Einzelnen beitragen können. Ein Grund dafür ist, dass sie verschiedene Sprachen, Register und Varietäten mobilisieren, sei es in formalen, non-formalen oder informellen Bildungsumgebungen. Sowohl qualitative als auch quantitative Untersuchungen aus verschiedenen Kontexten (Marx, 2020; Moore, 2020) belegen, dass plurale Ansätze zu verschiedenen Aspekten des Sprachenlernens beitragen. Die Vorteile der gleichzeitigen oder fortlaufenden Aktivierung von Literacy in verschiedenen Sprachen reichen vom Wortschatz- und Grammatiklernen in bestimmten Zielsprachen bis hin zur Entwicklung von Sprachbewusstheit und weiteren überfachlichen Kompetenzen (Breuer et al., 2021; Cuenat et al., 2020; Helmchen & Melo-Pfeifer, 2018; Kirsch & Duarte, 2020; Lau et al., 2021).
Diese Herangehensweise an Plurilingual Literacies kann mit neueren konzeptionellen Ansätzen zu Multiliteracies verbunden werden. Letztgenannte beziehen sich auf pädagogische Ansätze, die über die traditionelle Betrachtung von Literacy als Lese- und Schreibfertigkeit hinausgehen und ein breites Spektrum an Fähigkeiten umfassen. Sie beinhalten u.a. Digital Literacy, räumliche und sensorische Literacy, Media Literacy, Information Literacy sowie mehrsprachige und kulturelle Literacy (Abendroth-Timmer & Henning, 2014; Brisson et al, 2021; Cope & Kalantzis, 2009, 2015 und 2000; Mills, 2016; New London Group, 1996). (Multi)literacy/ies Education befähigt Individuen, Informationen auf kritische Weise zu nutzen und zu erzeugen. Sie versetzt den bzw. die Einzelne:n in die Lage, effektiv zu kommunizieren sowie aktiv in den jeweiligen Gemeinschaften und der Gesellschaft als Ganzes teilzuhaben. Damit kann sie soziale Gerechtigkeit fördern und ein an Gleichberechtigung orientiertes Lernumfeld schaffen (Tavares, 2024).
Die 11. EDILIC-Konferenz befasst sich mit innovativen Ansätzen zu Plurilingual Literacies, welche die große Diversität von Lernenden, Lehrkräften und Erzieher:innen, Gemeinschaften und Kontexten anerkennen und einbeziehen. Sie zielt darauf ab, verschiedene theoretische Perspektiven, empirische Methoden und Praktiken auf dem Gebiet der Plurilingual Literacies in Erziehung und Bildung zu erkunden. Dies umfasst sowohl klassischen institutionellen Unterricht als auch andere soziale Kontexte.
Um all die oben genannten Themen, Anliegen und Forschungsbereiche einzubeziehen, ist die 11. EDILIC-Konferenz in drei Themenbereiche gegliedert:
Bereich 1: Richtlinien und Maßnahmen
Dieser Themenbereich befasst sich mit Richtlinien und Maßnahmen zur Förderung, Implementierung und Evaluation von Plurilingual Literacies, wobei der Schwerpunkt auf Prozessen und/oder den Bildungsergebnissen solcher Prozesse liegt. Themen von Interesse sind unter anderem:
- Curriculumsentwicklung und -gestaltung für Plurilingual Literacies;
- Gestaltung und Prinzipien der Lehrkräftebildung unter besonderer Berücksichtigung von Plurilingual Literacies;
- Richtlinien und Maßnahmen für die Bewertung, Beurteilung und Evaluation von Plurilingual Literacies und Multiliteracy;
Bereich 2: Erziehung und Bildung von Lernenden und Lehrenden
Dieser Themenbereich bezieht sich auf die Praktiken zu Plurilingual Literacies, die in frühkindlicher Bildung und Schulbildung, aber auch in allen Phasen der Lehrkräftebildung, in unterschiedlichen Bildungskontexten und über den gesamten Lehrplan und Bildungsweg hinweg angewandt werden. Themen von Interesse sind unter anderem:
- Mehrsprachiges Lehren und Lernen in formellen und informellen Kontexten;
- Praktiken zu Plurilingual Literacies in der Schule, in nicht-formalen Bildungskontexten (z. B. frühkindliche Bildung und Betreuung), in informellen und/oder spezifischen Bildungsumgebungen (z. B. bilinguale Erziehung, Sonderpädagogik);
- Kulturell- und sprachsensible Strategien im Fremdsprachenunterricht;
- Kulturell- und sprachsensibler (Fach-) Unterricht;
- Lehrkräftebildung und Plurilingual Literacies;
- Bewertungs- und Beurteilungspraktiken sowie Bildungsergebnisse.
Bereich 3: Forschung und Dissemination: Plurilingual Literacies und andere heuristische Konstrukte
Dieser thematische Bereich ist dem Austausch von Ergebnissen zu neu aufkommenden Forschungsthemen, empirischen Methoden oder Perspektiven auf die Untersuchung von Plurilingual Literacies gewidmet. Im Zentrum steht die Vorstellung und Diskussion innovativer Ansätze der (Forschung über) Plurilingual Literacies und verwandter heuristischer Konstrukte. Themen von Interesse sind unter anderem:
- Plurilingual Literacies, gesellschaftliches Engagement und Lernen durch Engagement;
- Plurilingual Literacies, Partizipation und soziale Gerechtigkeit;
- Plurilingual Literacies und Erziehung und Bildung für nachhaltige Entwicklung;
- Plurilingual Literacies im Kontext einer Multiliteracies-Pädagogik;
- Mehrsprachige Forschung zu Plurilingual Literacies
Literaturangaben
Abendroth-Timmer, D. & Henning, E.-M. (2014) (Hrsg.) (2014). Plurilingualism and MultiLiteracies: International Research on Identity Construction in Language Education. Peter Lang.
Breuer, E., Lindgren, E., Stavans, A., & Van Steendam, E. (2021) (Hrsg.). Multilingual literacy. Multilingual Matters.
Brisson, G., Forte, M.; André, G., & Dagenais, D. (2021). Perspective sociomatérielle sur la pédagogie des multilittératies. Cahiers de l’ILOB/OLBI Journal, 11, 201-227.
Candelier, M. (Koordinator), Antoinette Camilleri Grima, Michel Candelier, Véronique Castellotti, Jean-François de Pietro, Ildikó Lőrincz, Franz-Joseph Meissner, Muriel Molinié, Artur Noguerol, Anna Schröder-Sura (2012). Le CARAP - Compétences et ressources. Conseil de l'Europe.
Cope, B., & Kalantzis, M. (2015). The things you do to know: An introduction to the pedagogy of multiLiteracies. In B. Cope & M. Kalantzs (Hrsg.), A Pedagogy of MultiLiteracies. Learning by Design (S. 1-36). Plagrave Macmillan.
Cope, B., & Kalantzis, M. (2009). “MultiLiteracies”: New Literacies, new learning. Pedagogies: An International Journal, 4, 164-195.
Cuenat, E., Manno, G., & Desgrippes, M. (2020). Mehrschriftlichkeit und Mehrsprachenerwerb im schulischen und ausserschulischen Umfeld. Bulletin suisse de linguistique appliquée. Printemps 2020.
Dagenais, D. (2012). Littératies multimodales et perspectives critiques. Recherches en Didactique des Langues et des Cultures. URL: http://journals.openedition.org/rdlc/2338; DOI: https://doi.org/10.4000/rdlc.2338.
Helmchen, Ch., & Melo-Pfeifer, S. (2018) (Hrsg.). Plurilingual literacy practices at school and in teacher education. Peter Lang.
Kirsch, C., & Duarte, J. (2020). Multilingual approaches for teaching and learning. From acknowledging to capitalizing on multilingualism in European mainstream education. Routledge.
Lau, S. M. C., Botelho, M. J., & Liaw, M. J.-J. (2021). Text production as process: Negotiating multiliterate learning & identities. Journal of Language, Identity & Education, 1-17. doi:10.1080/15348458.2021.1896969.
Marx (2020). Transfer oder Transversalität? – Designs zur Erforschung der Mehrschriftlichkeit. Bulletin suisse de linguistique appliquée. Printemps 2020, 15-33.
Mills, K. (2016). Literacy theories for the digital age. Social, critical, multimodal, spatial, material and sensory lenses. Multilingual Matters.
Molinié, M., & Moore, D. (2012). Les littératies : une Notion en Questions en didactique des langues (NeQ), https://doi.org/10.4000/rdlc.2335
Molinié, M., & Moore, D. (2020). Plurilinguismes, Plurilittératies et Idéologisations. In J. David & C. Weber (Hrsg.), Le français et les langues. Histoire, linguistique, didactique. Hommage à Jean-Louis Chiss (S.129-137).
Moore, D. (2020). Plurilittératies, pratiques textuelles plurilingues et appropriation: interrogations en didactique. Bulletin suisse de linguistique appliquée. Printemps 2020, 35-59. Lambert-Lucas.
New London Group (NLG). (1996). A pedagogy of multiLiteracies: Designing social futures. Harvard Educational Review, 66, 60–92.
Rispail, M. (2011). Littéracie: une notion entre didactique et sociolinguistique – enjeux sociaux et scientifiques.ForumLecture, 1/2011. www.leseforum.ch
Schneuwly, B. (2020), Literacy – littératie – Literalité. Forumlecture, 2, https://www.forumlecture.ch/sysModules/obxLeseforum/Artikel/701/2020_2_fr_schneuwly.pdf
Stavans, A., & Hoffmann, C. (2015). Multilingualism. Cambridge University Press.
Tavares, V. (2024) (Ed.). Social Justice Through Pedagogies of MultiLiteracies: Developing and Strengthening L2 Learner Agency and Identity. Routledge.