Hochschuldialoge zu Behinderung und Inklusion
Behinderung ist ein universales Phänomen, es weist jedoch viele regionale Ausprägungen auf. Nicht sehen oder hören zu können – das wurde vermutlich in allen historischen Epochen und das wird womöglich weltweit als Auffälligkeit wahrgenommen, aber der gesellschaftliche Umgang damit kann sehr unterschiedlich sein. Lernbehinderungen wiederum sind geschichtlich ein ‚junges‘ Phänomen, denn erst mit der Einführung formaler und zertifizierender Bildungssysteme entsteht das gesellschaftliche Interesse, das Tempo und die Niveaus individueller Lernprozesse zu skalieren, zu messen und zu typologisieren. Kulturelle und soziale Unterschiede werden indes im Zuge fortschreitender Globalisierungsprozesse voraussichtlich immer mehr verwischen.
Akademischer Austausch zwischen Hamburg und Isfahan
Mit solchen und vielen anderen Fragen setzen sich seit 2011 zwei wissenschaftliche Gruppen in Hamburg und Isfahan auseinander: Im Team der Isfahan University of Medical Science (IUMS) sind hauptsächlich die Medizin, Rehabilitation und Medical Education vertreten. Die Gruppe der Universität Hamburg (UHH) gehört zur Fakultät für Erziehungswissenschaft, an der Studierende für pädagogische Tätigkeiten im Feld der Behinderung ausgebildet werden, wie zum Beispiel Beeinträchtigungen des Sehens, Hörens und Lernens, der Sprache, Kognition und Emotionalität.
Der akademische Austausch zwischen den beiden Projektgruppen hat 2011 begonnen. In mehreren Vortragsreisen (2011, 2012, 2013, 2015) und während zweier zehntägiger Studienreisen nach Hamburg und Isfahan (2014, 2016) konnten gemeinsame wissenschaftliche Fragestellungen identifiziert und Ideen für eine Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung der fachlichen Ausbildung und Nachwuchsförderung entwickelt werden. 2013 kam es zur Unterzeichnung des ersten „Memorandum of Understanding” zwischen den beiden Hochschulen, das 2019 verlängert wurde.
1. Hochschuldialog mit der islamischen Welt (2017-2020)
Ein erster dreijähriger vom DAAD geförderter „Hochschuldialog mit der islamischen Welt“ hat 2017 zum Thema „Dialogues on Disability and Inclusion between Hamburg and Isfahan“ begonnen. Ziel des Projekts war es, uns über zentrale Begriffe wie Behinderung, Inklusion, Barrierefreiheit, Universal Design usw. im Kontext der jeweiligen lokalen sozialen und kulturellen Verhältnisse sowie über methodologische Problemstellungen der Behinderungsforschung im Bereich der Bildung, Rehabilitation und Therapie und zu entsprechenden Forschungsprojekten auszutauschen. Ein Projektziel war auch die Stärkung der Kooperation der Universitäten mit den Einrichtungen der Behinderungsarbeit vor Ort. Die dritte Dialogachse fokussierte auf die Intensivierung der internen Diskussion über Behinderung und Inklusion in den beiden Universitäten, um die bereits begonnenen Projekte zur „Barrierefreien Universität“ weiter zu bringen.
2. Hochschuldialog (2020-2022)
Seit 2020 und bis 2022 läuft nun ein zweiter „Hochschuldialog mit der islamischen Welt“, an dem neben den Universitäten in Isfahan und Hamburg auch die HAW Hamburg, eine weitere Universität in Iran (Shar-e-kord) und zwei Universitäten im Irak (Kufa im arabischen Teil des Landes und Dohuk im kurdischen Gebiet) gemeinsam zum Thema „Counseling in the field of disability“ arbeiten. Ausgehend von einer intensiven interdisziplinären Diskussion aktueller pädagogischer und psychologischer Theorien und Konzepte zu Beratung bei Behinderung und Beeinträchtigung und einer vergleichenden Reflexion von Praxis- und Organisationsmodellen zur Implementierung von Beratungsstrukturen in den drei Ländern, soll gemeinsam an der hochschuldidaktischen Weiterentwicklung in den vorhandenen sonder- bzw. sozialpädagogischen und psychotherapeutischen Studiengängen der beteiligten Universitäten gearbeitet werden, um dort die Ausbildung professioneller Kompetenzen der Beratung zu integrieren.
Beteiligte und Förderer
Von der Fakultät für Erziehungswissenschaft waren und sind folgende Lehrende, Promovierende und Studierende beteiligt: Prof. Dr. Sven Degenhardt, Prof. Dr. Joachim Schroeder, Dr. Frauke Meyer, Dr. Uta Wagner, Dr. Farid Moshref Dehkordi, Samah Abdelkader, Marie Geldermann, Christoph Henriksen, Tobias Hensel, Negin Shah Hosseini, Azin Madadi, Valentin Müller, Pauline Runge, Faezeh Samari, Nele Schell und Torben Schulz.
Gefördert werden diese Kooperationen vor allem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die iranischen Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Technologie (MSRT) bzw. für Gesundheit und medizinische Ausbildung (MoHME), die regionalen Büros der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) im Iran sowie die deutsch-iranische Razi-Gesellschaft für Medizin und Psychotherapie unterstützen das Netzwerk finanziell, logistisch und ideell.