Entstehung der Bibliothek
Silke Karstedt (†) / Hans-Georg Krüger / Joern Trottenberg:
Die Entstehungsgeschichte der Martha-Muchow-Bibliothek
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestalten "ihre" Bibliothek
Bei der Martha-Muchow-Bibliothek handelt es sich nicht um die Gründung einer weiteren Bibliothek in der Universität, aber um die Schaffung einer neuen durchaus. Genau wie bei der Zentralbibliothek Recht ging es auch bei der Martha-Muchow-Bibiothek um die Zusammenführung von mehreren Bibliotheken zu einer gemeinsamen. Das Besondere bei der letzteren ist, dass es in diesem Fall gelang, die bibliotheksfachlichen Planungsarbeiten in die Verantwortung der betroffenen Bibliotheksleiterinnen und –leiter und der Staats- und Universitätsbibliothek zu legen. Auf diese Weise gestalteten die Kolleginnen und Kollegen „ihre“ Bibliothek in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten, dem Baureferat der Universität und der Behörde als Auftraggeber.
Wie konnte das erreicht werden? Die Geschichte dieser Bibliothek ist außergewöhnlich und soll hier in Kürze geschildert werden:
Der Fachbereich Erziehungswissenschaft logierte zusammen mit seiner Hauptbibliothek so lange im Gebäude Von-Melle-Park 8, bis dieses von Grund auf saniert werden musste. Das war verbunden mit umfangreichen Baumaßnahmen, zu denen auch die völlige Neugestaltung der Räume für die Hauptbibliothek des Fachbereichs gehörte.
Die Idee einer Fakultätsbibliothek, die die 5 Bibliotheken der künftigen Fakultät EPB (Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft) beinhalten würde, war zum Zeitpunkt der Planungen nicht vorstellbar, da die Fakultätenbildung der Universität noch in den Anfängen steckte und niemand wusste, welche Fachbereiche sich in der künftigen Fakultät 4 zusammenfinden würden. Noch während der Bauarbeiten am Hauptgebäude Erziehungswissenschaft konnte hier Klarheit geschaffen werden. Zur Fakultät 4, EPB, gehören die Fachbereiche Erziehungswissenschaft mit zwei Bibliotheken, das Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung (ZHW) sowie die beiden Fachbereiche Psychologie und Bewegungswissenschaft mit jeweils einer Bibliothek.
Einer Initiative der Leiterinnen und Leiter der zu dieser Fakultät gehörenden Bibliotheken ist es zu verdanken, dass die Idee einer Fakultätsbibliothek geboren wurde. Gleich zu Beginn der Überlegungen wurde die Staats- und Universitätsbibliothek um kontinuierliche Unterstützung gebeten, und in der Folge konnten die entscheidenden konkreten Schritte realisiert werden:
- In einem Gespräch beim Kanzler der Universität im Sommer 2004 wurde gemeinsam von der Universität, der Fakultät, der Behörde und der Staats- und Universitätsbibliothek beschlossen, eine Fakultätsbibliothek EPB zu gründen.
- Die laufende Baumaßnahme im Hauptgebäude Erziehungswissenschaft, die schon weit vorangeschritten war, wurde nicht nur angehalten, es wurden auch einzelne bereits durchgeführte Maßnahmen wieder zurückgebaut. Insbesondere das 2. OG war betroffen, in das ursprünglich die Hauptbibliothek einziehen sollte und das nun für die Schaffung zusätzlicher Seminarräume umgerüstet wurde.
- Für die künftige Fakultätsbibliothek wurde nun ein neues Gebäude gesucht – denn einen Neubau würde es auf keinen Fall geben – und gefunden: das ehemalige Werkstattgebäude, ebenfalls Von-Melle-Park 8, hinter dem Hauptgebäude Erziehungswissenschaft gelegen und mit diesem durch einen Trakt verbunden.
Unter diesen Voraussetzungen konnte anschließend ein beispielhafter Planungsprozeß beginnen, an dem neben den betroffenen Bibliotheken auch die oben bereits erwähnten Einrichtungen teilnahmen.
Wie sah das konkret aus?
Zunächst wurde eine „Projektgruppe Fakultätsbibliothek“ ins Leben gerufen. Ihr gehörten die Leiterinnen und Leiter der fünf beteiligten Bibliotheken an, sowie eine Mitarbeiterin aus der Staats- und Universitätsbibliothek, die im Rahmen der Fachaufsicht beratend und gestaltend kontinuierlich mitarbeitete. Zwei große Blöcke galt es zu bearbeiten: die architektonische Umgestaltung des Werkstattgebäudes sowie die bibliotheksfachliche Ausrichtung der künftigen Fakultätsbibliothek. Von Anbeginn an war es wichtig so miteinander zu kommunizieren, dass am Ende alle „Nichtbibliothekare“ von den bibliotheksfachlichen Notwendigkeiten überzeugt waren und sie so in die Raumgestaltung einfließen ließen.
Vor dem Hintergrund, dass sich alle an den Planungen Beteiligten eine moderne, nutzerfreundliche und serviceorientierte Bibliothek wünschten, die als Informations- und Kommunikationszentrum von allen Angehörigen der Fakultät und auch von Stadtlesern gern besucht wird, kristallisierten sich folgende Schwerpunkte heraus:
- Die Bibliothek sollte über modernste Technik verfügen, dazu zählten die Vernetzung aller Nutzerarbeitsplätze, die Installierung von W-LAN sowie der Einbau einer Videoüberwachungsanlage.
- Die Arbeitsplätze mußten nutzerfreundlichen und behindertengerechten Kriterien entsprechen. Nach entsprechenden Vorgaben durch die Projektgruppe gelang dem Architekten eine räumliche Umsetzung, die für die Obergeschosse 1 bis 3 identisch ist und allen Bedürfnissen gerecht wird. So entanden im Westteil der Bibliothek Lesesäle, die ruhiges und konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Gegenüber, auf der anderen Seite, durch einen kurzen Flur getrennt, befinden sich in Freihandaufstellung die Bücher. In diesem Bereich konnten an den langen Fensterfronten der Nord- und Südseite zusätzliche Einzelarbeitsplätze errichtet werden, die jeweils einem Fenster zugeordnet sind und es ermöglichen, die breiten Fensterbänke mit zu verwenden. Für diejenigen Studierenden, die besonders ungestört arbeiten möchten, wurde etwa ein Drittel dieser Plätze mit Sichtblenden vesehen.
- Von den Lesesälen auf jeder Etage lassen sich Gruppenarbeitsräume erreichen, die bei Bedarf durch mobile Trennwände für jeweils zwei Gruppen zu nutzen sind.
- Jede Etage verfügt über einen Kopierraum, der so separat gehalten wird, dass die Kopiergeräusche nicht stören.
- Im Erdgeschoß verfügt die Bibliothek über einen Schulungsraum und unmittelbar daneben über einen Raum, in dem an acht eigens dafür installierten PCs Literaturrecherche geübt werden kann. Damit griff die Bibliothek schon bei der Planung das Projekt der „Vermittlung von Informationskompetenz“ auf. Mit Hilfe entsprechender Veranstaltungen in dafür vorgesehenen Räumen soll den Studierenden das geeignete Instrumentarium vermittelt werden, bei der eigenen Literatursuche optimale Ergebnisse zu erzielen.
- Die vorgegebene vertikale Ausrichtung des Gebäudes griff die Planungsgruppe auf, indem sie den Bestand der 5 fusionierenden Einzelbibliotheken nach fachlichen Zugehörigkeiten verteilte. Die Bestände der Psychologie und der Bewegungswissenschaft befinden sich im ersten OG, während die umfangreiche Erziehungswissenschaft auf den Etagen 2 und 3 untergebracht wurde. Im 2. OG entstand zusätzlich zum Haupttresen im EG ein weiterer Auskunfts- und Informationspunkt, so dass bei auftretenden Fragen nicht allzu weite Wege vonnöten sind. Dem gleichen Ziel ist auch die Anordnung der Personalarbeitsräume zuzuschreiben. Alle an der Planung Beteiligten fanden es naheliegend, dass sich das Personal jeweils in unmittelbarer Nähe seines „angestammten“ Bestandes befindet. Auf diese Weise ist es dem Nutzer möglich, auf jeder Etage in räumlich kurzer Entfernung das besonders geeignete Fachpersonal für Information und Hilfestellung aufzusuchen.
- Im Gegensatz zu den Monographien, die entsprechend ihrer Herkunft aus den einzelnen Bibliotheken präsentiert werden, wurden die Zeitschriften und die fächerübergreifenden Nachschlagewerke in einer einheitlichen Aufstellung im EG und KG zusammengeführt. Dem voraus ging ein aufwändiger Prozeß, in dem dafür eine geeignete Systematik entwickelt wurde, dem sich umfangreiche Umsignierungen anschlossen.
- Für die neue Fakultätsbibliothek war selbstverständlich auch eine einheitliche Benutzungsordnung erforderlich. Die Martha-Muchow-Bibiothek hat grundsätzlich Präsenzcharakter mit der Möglichkeit der Wochenend- und Kopierausleihe. Damit trägt sie den Übereinkünften des zweigliedrigen universitären Bibliothekssystems Rechnung, wonach die Staats- und Universitätsbibliothek eine längere Ausleihe anbietet, während die Fakultäts- und Fachbibliotheken ihre Bestände überwiegend vor Ort bereit halten.
- Um den Nutzerinnen und Nutzern die Orientierung in der neu geschaffenen Fakultätsbibliothek zu erleichtern, wurde ein Leitsystem entwickelt, das dazu beitragen soll, selbständig das Gewünschte zu finden. Auf jeder Etage befinden sich daher Stellwände, die den Weg zu den Büchern wie zu den Arbeitsplätzen weisen, die das Signatursystem erklären, auf Veranstaltungen der Bibliothek hinweisen und die Infoflyer für einen ersten Überblick anbieten.
Den Benutzern zu Gute kommt nun, dass der Bestand durch das Versehen der Bücher mit Barcodes elektronisch verbucht werden kann und somit bei der Ausleihe das Ausfüllen von Zetteln wegfällt. Zudem stehen den Besuchern im Vergleich zu den vorherigen Einzelbibliotheken erheblich erweiterte Öffnungszeiten zur Verfügung.
Die Martha-Muchow-Bibliothek wurde am 6.12.2006 mit einem kleinen Festakt eröffnet. Da noch die eine oder andere Baumaßnahme ausstand, wurde beschlossen, die eigentliche Einweihungsfeier mit der Namensgebung zum Semesterende folgen zu lassen. Aus dem Kreis der Wissenschaftler kam der Vorschlag, die neue Bibliothek nach Martha Muchow zu benennen, die in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an der Universität Hamburg gewirkt hatte. Damit war eine Person gefunden, die aus dem 20. Jahrhundert stammte, mit deren Ehrung eine Wiedergutmachung für Schädigungen durch das Naziregime ermöglicht wurde und durch deren Wirken ein Bezug zu den in der Fakultät vertretenen Fächern erkennbar war.
Die Namensgebung wurde am 31.1.2007 auf einer Festveranstaltung durch den Dekan der Fakultät im Beisein der Universitätspräsidentin vollzogen.