Decoloniality & diversidad - Dekolonialisierung im Sprachenunterricht
15. Februar 2024
Foto: Sadequle Islam
Im Rahmen des Projekts „Kisugünewün – Approaches to decolonise the language classroom” fand am 08.02.2024 ein zweistündiger mehrsprachiger Roundtable mit drei eingeladenen Expert:innen statt.
Kisugünewün ist Mapuzugún, die Sprache der Mapuche, und bezeichnet einen Wandel, der von einer Community selbst kommt und von der gesamten Community im Kollektiv getragen wird. Dekolonalisierung kann unter anderem als reflektierte Distanzierung von kolonial tradierten Werten und Wissensproduktion verstanden werden. Ziel des Roundtables war, verschiedene Stimmen zum Thema der Dekolonialisierung des Sprachenunterrichts aus unter anderem Mexiko, Chile, Kanada, Brasilien und Norwegen eine Plattform zu geben und einen offenen Austausch mit interessierten Kolleg:innen und Studierenden von der Universität Hamburg, dem Landesinstitut sowie Lehrkräften zu ermöglichen.
Der Roundtable ergab sich als Augenöffner für die Beteiligten über (post-)koloniale Systeme. Es wurden verschiedene Ansätze vorgestellt, wie dekoloniales Denken und Handeln aussehen kann. Dazu stellte die eingeladene Expertin María Guadalupe Rivera Garay von der Universität Bielefeld individuelle Erfahrungen von sich und einer weiteren indigenen Frau aus Mexiko im Universitätssystem vor und verknüpfte diese Erfahrungen mit dem Forschungsstand zu Kolonialität und Dekolonialität. Sie zeigte auf, dass koloniale Strukturen darüber bestimmen, wer das Recht auf Wissensproduktion hat und dass eine dekoloniale Welt eine plurale, inklusive und ausgewogene Welt sei. Außerdem kann dekoloniales Handeln bedeuten, den Kontext, aus dem heraus man spricht, zu verdeutlichen.
Prof. Dr. Claudio Millacura Salas, Gastprofessor der Universität Chile, begann mit den Worten Okemwas, dass nicht länger vorgegeben werden kann, dass die moderne Welt nicht auf kolonialen Strukturen basiere. Mit Bezug auf die hauptsächlich männlichen Wissenschaftler, die zur Dekolonialität forschen – mit Ausnahme von Silvia Rivera Cusicanqui –, stellte Prof. Millacura Salas heraus, dass Kolonialität ein menschliches Überschreiten sei. Die dekoloniale Gegenposition aus der Mapuche und weiterer indigener Communities ist, dass sich hinter jeder Sprache Menschen befinden: „Itrofill mongen“ – Alle Leben ohne Ausnahme.
Der dritte Experte PostDoc Dr. Vander Tavares zeigte Beispiele, in denen der Mythos aufgebrochen wird, dass eine Lehrkraft nur eine Sprache und nur eine Kultur sei. Mehrsprachige Lehrkräfte werden oft außen vorgelassen. Ein weiterer Punkt, der aus dekolonialer Sicht problematisch ist, sind die rassistischen und stereotypisierten Darstellungen insbesondere von Indigenen in Lehrwerken für Sprachen. Als dekolonialen Ansatz sieht er die Notwendigkeit, sich für den kulturellen und sprachlichen Hintergrund von Menschen zu sensibilisieren.
Die Fragen und geteilten Erfahrungen aus dem Publikum zeigten, wie wichtig es ist, Diversität anzuerkennen statt Kulturen, Sprachen und Menschen zu homogenisieren und ihre Unterschiede zu simplifizieren. Abermals konnte herausgestellt werden, dass eine dekoloniale Welt eine ist, in der viele Welten ihren Platz haben, in der alle Menschen anerkannt werden und Mehrsprachigkeit und kulturelle Diversität natürlich sind. Das Abbauen von Stereotypen und der Native-Speaker-Norm, d.h. dass nur Menschen, die eine Sprache als Erstsprache sprechen als legitime Sprechende gewertet werden, sind weitere wichtige Ansätze, um den Sprachenunterricht zu dekolonialiseren. Insgesamt entstand ein safe space für Innovation und un espacio de esperanza – Hoffnung.
Das Projekt „Kisugünewün – Approaches to decolonise the language classroom” wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern von Januar bis Februar 2024.