"You're one of us anyway"
26. August 2022
Foto: UHH/Imanuwarta
Das Referat Internationalisierung im Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Bonnet. Der Professor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur ist kürzlich von seinem dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der University of Edinburgh, Schottland, zurückgekehrt.
In seiner Forschung beschäftigt sich Andreas Bonnet gemeinsam mit seinen Kolleg:innen im fakultären Forschungsschwerpunkt Ungewissheit als Dimension pädagogischen Handelns mit den Auswirkungen der Ungewissheit aktueller Transformationsprozesse auf Erziehung und Bildung und möchte herausfinden, welche Folgen dies für Schule und Universität hinsichtlich der Professionalisierung von Lehrkräften hat.
Referat Internationalisierung: Was hat Dich dazu bewegt, für einen Forschungsaufenthalt ins Ausland zu gehen?
Andreas Bonnet: Diese Frage hat sich mir tatsächlich nie gestellt. Für mich ist klar, dass ich die Gelegenheit nutzen möchte, alle vier Jahre neue Perspektiven zu gewinnen. Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, dass man vor Ort mehr bewegen kann als auf Distanz. Die Beziehungen, die sich vor Ort auf persönlicher und beruflicher Ebene entwickeln, wirken sich langfristig positiv auf den Aufbau gemeinsamer Projekte aus, wie sich bspw. auch bei unserem Projekt Tricontinental Teacher Training gezeigt hat. Das Projekt in Zusammenarbeit mit der University of Education Winneba (UEW), Ghana, und der University of North Carolina at Chapel Hill (UNC), USA, geht auf die engen Beziehungen meiner Kollegin Prof. Dr. Telse Iwers nach Ghana und meinen letzten Forschungsaufenthalt in Chapel Hill im Jahr 2018 zurück. Für mich als Professor der Didaktik der englischen Sprache und Literatur ist es selbstverständlich auch dahingehend attraktiv, die englische Sprache in anderen Kontexten immer wieder neu erkunden zu können.
Wieso hast Du Dich für die University of Edinburgh entschieden?
Das geht auf ein internationales Symposium im Rahmen der ECER 2019 zurück. Bei den Vorbereitungen des Symposiums sind wir, die Kolleg:innen im Forschungsschwerpunkt, auf die Arbeit von Dr. Andrea English an der Moray House School of Education and Sport der University of Edinburgh gestoßen. Schnell ist ein gegenseitiges Interesse an einer Zusammenarbeit entstanden, so dass wir das Symposium letztlich zusammen abgehalten haben. Entsprechend stand für mich fest, dass ich nach Edinburgh gehen möchte, um die Zusammenarbeit mit Andrea English auszubauen.
Was hat Dir an Edinburgh darüber hinaus besonders gefallen?
Bereits beim letzten Forschungsaufenthalt in die USA wurde ich von meiner Familie begleitet, so auch dieses Mal nach Schottland. Für meine Kinder bedeuteten beide Aufenthalte einschneidende Erfahrungen. Wie auch schon in Chapel Hill haben sie in Edinburgh die Schule besucht und darüber hinaus im Fußballverein gespielt. Schon vor unserer Ankunft hat sich bemerkbar gemacht, wie sehr sich die Teams auf ihre Ankunft gefreut haben. Diese Willkommenskultur und Selbstverständlichkeit dafür, dass man Teil der Gemeinschaft ist, haben sich über meinen bzw. unseren Aufenthalt hindurchgezogen.
Welche Erkenntnisse oder Erfahrungen hast Du Dir von diesem Aufenthalt erhofft und sind diese in Erfüllung gegangen?
Für mich war vor allem wichtig, die Zusammenarbeit mit Andrea English zu stabilisieren, unter anderem durch gemeinsame Anträge, die wir während meines Aufenthalts schreiben wollten. Ein Antrag ist nahezu fertiggestellt, den Antrag auf ihren Gastaufenthalt mussten wir leider aufschieben, da die Förderlinie vom DAAD vorerst eingestellt wurde. Sobald die Antragstellung möglich ist, möchten wir die Arbeit am Antrag wieder aufnehmen. Ein weiteres Anliegen war, mich mit ihr über John Deweys Ansätze zu Ungewissheit und Demokratiebildung auszutauschen. Ich habe regelrecht die Studierendenposition angenommen und Texte bearbeitet über die wir uns dann ausgetauscht haben. Das war nicht nur für mich interessant und bereichernd, auch sie konnte so neue Perspektiven auf John Deweys Arbeit gewinnen, was mich sehr gefreut hat.
Da an der University of Edinburgh pandemiebedingt weiterhin viel digital stattfand und die Kolleg:innen überwiegend im Home Office gearbeitet haben, war es anfänglich aber schwierig neue Kontakte aufzubauen. Es war dennoch wichtig vor Ort gewesen zu sein, um einen Einblick in die Organisationsstrukturen und -kultur zu erlangen, was auf Distanz nicht möglich gewesen wäre. Vor allem in den letzten Wochen meines Aufenthalts haben sich dann auch zunehmend persönliche Treffen ergeben. Letztlich wurde ich in eine Berufungskommission geladen und erhielt so Einblicke, die sich mir sonst vermutlich nie offenbart hätten. Es bedarf aber selbstverständlich auch ein gewisses Maß an Eigeninitiative damit man als Teil der Organisation wahrgenommen wird.
Inwiefern war dieser Aufenthalt eine Bereicherung für Deine Forschung und Lehre an unserer Fakultät?
Hinsichtlich zukünftiger Zusammenarbeit war der Aufenthalt auf allen Ebenen eine Bereicherung. Nicht nur, dass sich bestehende Kontakte konsolidiert haben und ich neue Kontakte knüpfen konnte. Das Wissen über die Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten zum Beispiel, als auch das interkulturelle Feingefühl, das man während solcher Auslandsaufenthalte entwickelt, sind natürlich von immenser Bedeutung für internationale Kooperationen. Darüber hinaus freue ich mich, dass ich durch neue Kontakte meine Arbeit zu bilingualem Unterricht auffrischen konnte. Das war ursprünglich gar nicht meine Absicht aber hat sich dann überraschender- und erfreulicherweise ergeben. Hinsichtlich der Lehre konnte ich auch neue Eindrücke gewinnen, besonders in Hinblick auf Digitalisierung. Wie ich eingangs bereits erwähnte hat mich meine Familie begleitet, wodurch ich das Schulsystem auch aus Elternperspektive kennenlernen konnte. Diese persönlichen Erfahrungen und Eindrücke teile ich gerne mit den Studierenden in meinen Seminaren.
Warum würdest Du anderen Kolleg:innen einen Forschungsaufenthalt im Ausland empfehlen?
Auf beruflicher Ebene sind Auslandaufenthalte unabdingbar, wenn man in internationalen Projekten mitwirken möchte. Solche Projekte leben von den persönlichen Beziehungen. Hier fällt mir ein treffendes Zitat des Dekans der UNC School of Education ein: „You’re one of us anyway“. Man wird Teil der Organisation und je mehr Praxis kooperierende Organisationen teilen, desto besser können gemeinsame Ziele erreicht werden. Und auf persönlicher Ebene sind Auslandsaufenthalte immer wieder erfrischend. Vor allem angesichts der letzten Jahre, die von der Corona-Pandemie geprägt waren, bin ich mit einer neuen Motivation zu meiner Arbeit hier in Hamburg zurückgekehrt.