Promovieren in Sydney und HamburgInterview mit Kay-Dennis Boom
2. Juni 2020, von Bente Gießelmann
Foto: Chris Stacey
Kay-Dennis Boom hat ein Joint-PhD-Programm in Australien und Deutschland absolviert (2016-2019): Er promovierte die Hälfte der Zeit an der Macquarie University in Sydney (bei Associate Professor Matt Bower), und die andere Hälfte an der Universität Hamburg (bei Prof. Dr. Jens Siemon). Welche Erfahrungen er dabei gemacht hat und ob er diese Art der Promotion auch anderen Promovierenden empfehlen würde, erzählt er im Interview.
Das Gespräch führte Bente Gießelmann.
Wie unterscheidet sich das Promovieren in Australien und in Deutschland?
Kay-Dennis Boom: Insgesamt ist das Promotionsstudium in Deutschland mehr wie eine Arbeitsstelle, in der man betreut und begleitet wird. In Australien entspricht es eher einem Studium in einem bestimmten Fachbereich, bei dem man sehr viele Vorgaben zu beachten hat und durchaus Anwesenheitspflicht am Campus und bei Veranstaltungen hat.
Das heißt, viele Promovierende an der Macquarie University sind verpflichtet sich mehrmals und in regelmäßigen Abständen mit den Betreuenden zu treffen. Man definiert gemeinsam sogenannte "Milestones" für die eigene Arbeit. Insgesamt findet die Betreuung sehr viel enger und geleiteter statt.
Für mich persönlich war dies sehr ungewohnt, da ich aus Deutschland andere Maßstäbe gewohnt war. Ich konnte aber durchaus auch einige neue Aspekte mitnehmen, gerade in Workshops, die dort angeboten wurden. Viele Dinge kamen mir aus meinem bisherigen Studium bekannt vor. Aber gerade im Bereich wissenschaftliches Schreiben auf Englisch haben mir die Angebote der Universität dort vor Ort sehr geholfen.
Wie haben Sie das Campusleben und die Studierenden in Sydney erlebt?
Boom: Am Campus der Macquarie University gibt es auf Grund der Beziehungen zwischen China und Australien sehr viele internationale Studierende, deren Heimatuniversitäten im asiatischen Raum liegen. Es fällt auf, dass die Heterogenität auf dem Campus wesentlich höher ist als bei uns in Deutschland.
Abgesehen davon gibt es an der Universität eine stärkere kollektive Identität. Das war für mich als Gaststudierender aus Deutschland sehr ungewohnt. Man sieht viele Wappen, es gibt ein Maskottchen, welches man bei der Sportmannschaft der Universität antreffen kann. Ich glaube, man entwickelt schneller ein Zugehörigkeits- und Wir-Gefühl als an einer deutschen Universität.
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Universität auf Grund der Struktur des Bildungssystems in Australien eher einem Unternehmen als einer staatlichen Einrichtung gleicht. Die Universität in Deutschland ist da näher an den schulischen Strukturen im Bildungssystem. Die Hierarchien innerhalb der Lehre in Sydney sind dadurch auch sehr viel strenger und der Präsident versteht sich dort eher als ein "CEO" der Universität.
Welche Inhalte und Impulse begleiten Sie denn bis heute, die Sie aus dem Auslandsaufenthalt bzw. Joint-PhD mitgenommen haben?
Boom: Einen sehr bleibenden Eindruck hat ein neues wissenschaftliches Format hinterlassen, die "Three Minute Thesis". Die Idee hinter diesem Format ist, dass man einem nicht-wissenschaftlichen Publikum das eigene Thema innerhalb von drei Minuten präsentieren soll. Dabei soll die Fragestellung vorgestellt werden, es soll klar werden, wie man diese beantwortet hat und was die Ergebnisse der Forschung waren - und natürlich, inwieweit das weiterführend ist für die gesamte Forschung. Dabei kann man eine Powerpoint-Folie benutzen und es wird die Zeit gestoppt. Dieser Wettbewerb ist in Australien sehr weit verbreitet und die Runden gehen bis auf eine internationale Ebene, die dann in New York ausgetragen wird.
Ich habe versucht, etwas Ähnliches dann in Deutschland zu organisieren und bin dann bei der HRA (Hamburg Research Academy) in den Promovierendenvorstand gewählt worden, hauptsächlich auf Grund dieses Projektes. Mit einiger Mithilfe haben wir dann auch in Deutschland so eine "Three Minute Thesis" organisiert. Das Ganze war sehr erfolgreich und wir wollten die Veranstaltung gerne nochmal organisieren, allerdings müssen wir uns momentan daran orientieren, was unter den gegebenen Umständen möglich ist.
Warum würden Sie anderen Promovierenden aus unserer Fakultät empfehlen, auch einen Auslandsaufenthalt zu machen?
Boom: Über die interkulturelle Erfahrung habe ich ja schon gesprochen. Ein weiterer Gesichtspunkt, der für ein Joint-PhD-Programm spricht, ist zum Beispiel, dass man Netzwerke aufbauen kann. Diese Chance bekommt man beispielsweise durch Betreuende und Studierende vor Ort, so dass man Verbindungen zu Unternehmen und anderen Wissenschaftler*innen aus verschiedensten Ländern aufbauen kann. Das macht es leichter, zum Beispiel Kooperationen in der Wissenschaft aufzubauen. Das ist grade für Personen, die nach der Promotion in der Forschung bleiben wollen, sehr zu empfehlen.
Zur Person:
Kay-Dennis Boom arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter (PostDoc) an der Fakultät für Erziehungswissenschaft im Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Er hat zum Zusammenhang zwischen Computational Thinking (Perspektive von Problemwahrnehmung und –lösung) und der Programmierfähigkeit von Studierenden promoviert.